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Quizduell => Quizipedia => Thema gestartet von: De Wolf am 15.09.2015 11:03

Titel: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 15.09.2015 11:03
Philosophie für Einsteiger...

Das Philosophieren ist uns angeboren. Seit der erste Mensch zu den Sternen aufblickte oder sich die Frage nach dem Sinn seiner Existenz stellte.

So gibt es Philosophie in unterschiedlichsten Kulturen. Der Buddhismus ist eigentlich mehr Philosophie als Religion – wendet sich weg den hinduistischen Göttern, hin zum Menschen mit seinen immer neuen leidvollen Lebenserfahrungen und der Frage nach Erlösung im Nirwana.

Zu nennen ist auch der Konfuzianismus – die Staatsphilosophie Chinas. Hier geht es um Respekt vor familiären, gesellschaftlichen und staatlichen Autoritäten.  So hat der Konfuzianismus dafür gesorgt, dass das chinesische Kaiserreich über 2000 Jahre Bestand hatte – bis es mit der Revolution von 1911 dann doch abgeschafft wurde.

Sprechen wir heute von Philosophie, so denken wir allerdings primär an die lange Tradition Europas. Sie beginnt mit den Griechen. Mit echten Netzwerkern, die eine Vielzahl an Wissensgebieten erforschten und systematisch miteinander verbanden.
Da ist Thales von Milet, ein Universalgelehrter, der heute vor allem als Mathematiker erinnert wird (denkt an den Satz des Thales zu den Winkeln im Halbkreis).
Da ist Pythagoras, Leiter einer Philosophenschule, der u.a. Mathematik mit musiktheoretischen Überlegungen verband und damit unserer  abendländischen Harmonielehre den Weg bereitet hat.

Ein Beststeller der Antike war (nebenbei bemerkt) das Buch über die Elemente von Euklid – jahrhundertelang das mathematische Standardwerk schlechthin.

Mit dem Athener Sokrates erfolgt dann eine Wende hin zum Menschen.
Sein Leitsatz ist. ,,Ich weiß, dass ich nichts weiss." Und mit diesem kritischen Ansatz führt er seine Zeitgenossen vor, die mit Scheinwissen zu punkten versuchen.
Klar, dass es mit diesem ,,Querdenker" kein gutes Ende nimmt. Er wird wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilt. Freunde halten ihm einen Fluchtweg offen. Er verzichtet darauf und trinkt ruhig und selbstbestimmt die tödliche Dosis Schierlingssaft. Tja, Leute – das ist ganz große Philosophie... die Einheit von Theorie und Praxis.

Sokrates hat keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen. Sein Schüler Plato allerdings hält die Erinnerung an ihn wach. Sein erstes Werk ist die ,,Apologie". Eine Nachgestaltung der  Verteidigungsrede seines Lehrers vor Gericht. Lesenswert.

Auch in vielen weiteren Werken Platos hat  Sokrates das Wort. Bekannt ist die "Politeia" – ein Werk über den idealen Staat (Das Schlüsselwort heißt hier Arbeitsteilung, wobei einer Aristokratie besondere Bedeutung zukommt).  Mit dem Mythos von Atlantis zeigt sich Plato als Mahner, dass auch das das höchst entwickelte Gemeinwesen durch Anmaßung seiner Bewohner zu Fall kommen kann. Zugleich hat er zu allen Zeiten die Phantasie der Leserschaft beflügelt, ob die Geschichte historische Grundlagen hat.

Das wäre doch ein weites Feld für Ausgräber... 

Platos Schüler ist Aristoteles. Der sich wiederum mit eine Vielzahl von Wissensgebieten befasst hat und einige überhaupt erst begründet hat. Er befasst sich mit Fragen der Antropologie und der Ethik, ist Staats- und Wissenschaftstheoretiker, Logiker, Biologe, Physiker etc. Viele seiner Erkenntnisse hatten bis in unsere Neuzeit Bestand – etwa (Trivia sind ja so schön!) seine Forschungen an Seeigeln!

Seine Bedeutung für das abendländische Denken erschließt sich recht gut in Umberto Ecos Kosterkrimi der ,,Name der Rose". Da dreht sich alles um ein subversives Buch zur Macht des Humors, dass unter normalen Umständen längst zerstört worden wäre. Dummerweise heißt der Verfasser Aristoteles – und dessen Werk ist unantastbar. Also müssen eine ganze Reihe Mönche sterben, die damit in Kontakt kommen...

Spannender Stoff, der den Verfasser mit einem Schlag berühmt gemacht hat.

Wie in vielen anderen Bereichen haben sich die Römer auch bei der griechischen Philosophie bedient.

Dabei kam den Römern das Konzept der Stoa sehr entgegen. Der Stoiker übt Selbstbeherrschung, Gelassenheit und Ruhe und gelangt erst auf diesem Weg zu echter Erkenntnis seiner Stellung in der Weltordnung, die er nach Kräften auszufüllen  hat. 

Zu nennen ist Marcus Tullius Cicero. Er ist Anwalt, Staatsmann und Philosoph aus gutem, "ritterlichem" (landadligem) Haus (kein Plebejer!). Interessant ist sein Werk ,,De Re Publica". Darin befasst er sich mit dem Gemeinwesen und entwickelt  zukunftsweisende  Gedanken zur einer stabilen Verfassung (modern gesprochen: ,,Checks and Balances"). 

In der Kaiserzeit erlangte der Stoiker Lucius Annaeus Seneca große Bedeutung, der Erzieher des jungen Nero, der lange Zeit auch an den Regierungsgeschäften beteiligt war.
Das hat sich ausgezahlt, denn nach heutigem Maßstab war dieser Mann Multimilliardär. Der Kontrast zwischen Theorie und Praxis fiel irgendwann auch seinem kaiserlichen Schützling auf. Seneca wurde zum Suizid genötigt, wobei das Aufschneiden der Pulsadern in einem heißen Bad eine sehr humane Todesart war.
Das tat er dann auch - mit der sprichwörtlichen ,,stoischen" Gelassenheit...

Soweit dieser erste Teil meines Aufrisses – wie immer auch mit vielen qd tauglichen Hinweisen.

Wobei Philosphie eigentlich nicht zu lernen, sondern nur zu betreiben ist...

In diesem Sinne: Have Fun!
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: sar666ah am 15.09.2015 11:13
 :up: :up: :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: trusblue am 15.09.2015 11:46
Sehr gut! Danke Wolf!
Dieser Beitrag erinnert mich daran,
dass ich wieder mal viel mehr lesen müsste anstatt Gerätetasten zu drücken!  :'(
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 15.09.2015 11:53
 :servant:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Steinreiche Helga am 15.09.2015 12:42
Dankeschön, kann man sehr gut lesen und vielleicht bleibt ja was hängen...   :up:  :cheers:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Not Defined am 15.09.2015 12:47
Sehr schön.

Aber Heraklit fehlt.
Genauso, wie mir der alte Haudegen Herakleitos fehlt.
Irgendwie verschollen, der Gute! :-\

Ich sach nur:
Gnothi seauton  :winke:

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: KleineWeisheit am 15.09.2015 16:23
 :servant:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 15.09.2015 20:51
 :gruknu:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 16.09.2015 10:55
Über 280 Clicks in knapp 24 Stunden. Bin schon begeistert. Dachte nicht, dass dieses spezielle Thema so eine Resonanz findet. Vielleicht gelingt es mir ja in diesen Tagen,  mit zwei oder drei weiteren Posts den Sack zuzubinden.

Oder vielleicht gibt es da draußen ja andere, die mir helfen?

Eine Bitte hätte ich, liebe Forumsmitglieder: Gebt mir Feedbacks. Ein Daumen hoch freut mich sehr. Aber mehr noch - wenn ihr Anregungen oder Ergänzungen habt, die die Fortsetzung leichter machen.

Und noch eine Bitte an all die lieben Gäste, die hier mitlesen - manchmal mehr als Mitglieder das tun.
Nicht nur lesen und Informationen für künftige Battles "abgreifen".
Werdet Mitglieder in diesem Forum und beteiligt Euch. Mit Euren ganz individuellen Beiträgen.
Es ist eine Super Community, die wirklich was zu bieten hat.
Die sich über Verstärkung freut.

Hab ich selbst erlebt. Echt!

Herzliche Einladung!

Der Pälzer Wolf!
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: kaka-8 am 16.09.2015 10:57
Ich fand's sehr anregend, da mir fast gar nix etwas sagte, qd-betreffend. Also eine nette Lektüre, die einem in gewissen Kategorien, die eventuell verbesserungswürdig sein könnten, weiterhelfen wird!
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 16.09.2015 11:09
Kurze Kaffeepause.  :coffee:

Und zur geistigen Anregung und zur Einstimmung auf das was noch kommen kann - für alle philosophisch Interessierten ein sehr anschaulicher Clip...

https://www.youtube.com/watch?v=P6DVxRweVsU

:winke:

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: KleineWeisheit am 16.09.2015 11:44

Ich wollte mal erwähnen, dass ich die Lektüre der Übersichts-Threads (Musik, Filme, CS etc und auch diesen Philosophie-Thread) sehr kurzweilig finde - weit über den Zweck des Shit-Kat-Verbesserns hinaus!

:-*
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 16.09.2015 13:13
Danke für die jüngsten Wortmeldungen! Dann erlaube ich mir noch einmal ein tiefe Grabung aus aktuellem Anlass!

Stellen wir uns vor, in ferner Zukunft beschäftigt sich jemand mit den Schriftstellern der Weimarer Klassik (Goethe, Schiller und Herder - genau.). Die Textlage präsentiert sich wie folgt:

Die Namen der Schriftsteller. Die Titel einiger Werke und eine Handvoll Zitate aus anderen Quellen.

Sonst - komplette Fehlanzeige... !

Der Rest ist verloren.

So sieht es aus, wenn wir das antike Erbe betrachten. Nur ein Bruchteil ist erhalten. Der Großteil: Zerstört in Kriegen (denken wir an Cäsars Truppen in der ägyptischen Kampagne, 48 v.u.Z.).  Oder durch Naturkatastrophen (Erdbeben)  wie jenes, das Alexandria im vierten Jahrhundert heimsuchte.
Oder durch die Ignoranz oder die Zerstörungswut kultur- und bildungsfeindlicher Gotteskrieger. Ich denke hier an ägyptische Mönche, deren Mentalität gar nicht so verschieden war von der heutiger Fundamentalisten.

Das ist der Grund,  warum wir von vielen antiken Philosophen so wenig wissen.
Etwa von den sogenannten "Vorsokratikern". Die keine Schule bildeten, sondern alle  ihren eigenen Denkansätze hatten. Zum Beispiel Heraklit, der im Wasser das ursprüngliche Element sah. Oder Demokrit mit seiner erstaunlich modernen  Vorstellung  von Atomen!

Das ist eigentlich deprimierend. Wäre ein Grund,  sich in eine Tonne oder ein Fass  zurückzuziehen und sich wie der alte Diogenes einer bedürfnislos-zivilisisationskritsch-kynischen - um nicht zu sagen zynischen - Lebensphilosophie zu verschreiben.

Allerdings:

Manchmal gibt es doch Hoffnung. Aus Byzanz (Konstantinopel) gibt es eine Handschrift aus dem 13. Jahrhundert mit einem ziemlich unbedeutenden theologischen Traktat. Das Pergament wurde recycelt (neu beschrieben) und ursprünglich stand darauf - eine Abhandlung des großen Mathematikers Archimedes, in der er sich als Vordenker der heutigen Integralrechnung präsentiert!

Der Text konnte dank modernster Technik und jahrelanger Arbeit wieder lesbar gemacht werden.

Lest den Artikel "Palimpsest" in der Wikipedia!

Ich sage nur Respekt. Respekt vor Menschen, die sich dem Erhalt oder der Wiederentdeckung alter Schätze widmen.
Die sich gegen Zerstörer wehren - auch unter Einsatz des eigenen Lebens.
Und vor allem: Respekt vor jedem,  der sich in schwierigen Zeiten nicht nur daher philosophiert (schon gar nicht auf Stammtischniveau) sondern sich Gedanken macht, was dem Leben dient  - und Taten folgen lässt!

In diesem Sinne: Be prepared. Gerne auch: Gnothi seauthon (griech.: erkenne Dich selbst).

Bis bald!

Euer Pälzer Wolf!

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Margaretnerin am 17.09.2015 18:47
Erstmal vielen Dank für die wunderbare Aufbereitung dieses umfassenden Themengebietes in merkbare Eckpfeiler inklusive sehr einprägsamer Denkansätze.

Mein philosophisches Grundwissen stammt noch aus der Schulzeit, die mittlerweile auch schon eine Weile her ist und schon damals fand ich es viel spannender mit wohlmeinenden Schubsern zum selber Denken angehalten zu werden, anstatt Vorgekautes einfach stupide Auswendig zu lernen.
Wenn mir ein Denkansatz in Erinnerung geblieben ist, dann ist es Rene Descartes: cogito ergo sum ( ich denke, also bin ich). Aber noch viel mehr hat mich sein zweiter Lehrsatz angesprochen, der mich bis heute im Positiven begleitet hat.
Dubito ergo sum. Ich zweifle, also bin ich.
Ich war erleichtert , festzustellen, dass es erlaubt, ja erwünscht war/ist , zu zweifeln, zu hinterfragen, mir selbst ein Bild machen zu wollen. Angesichts der aktuellen Ereignisse notwendiger denn je!

So lebt die gute "alte" Philosophie jeden Tag mit mir, vermengt sich wie bei einem guten Rezept mit allerlei Zutaten und hilft mir, mich nicht am Einheitsbrei zu verschlucken.

Liebe Grüße und im Zweifelsfalle:
Errare humanum est

:winke:  von der Margaretnerin

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Röschti Quizzerin am 17.09.2015 19:29
Wie spannend und kurzweilig zu lesen ist das denn  :servant:!!!

Da kommt eine ganze Menge zusammen - ich kann so sehr einfach und auf äusserst angenehme Art etwas dazulernen.

Philosophen gibt es noch eine ganze Menge - sehr oft war/ist ein Philosophe gleichzeitig Theologe oder Naturwissenschafter.

Und einige pflegten schon eine spezielle Lebensweise, soll doch der Grieche Diogenes in einer Tonne gelebt haben - jedenfalls sehr zurückgezogen und bedürfnislos.
"Nimm deinen Schatten von mir" soll er zu Alexander dem Grossen gesagt haben.

Aus der neueren Zeit - Jean Paul Sartre u.a. mit seinem Werk "Das Sein und das Nichts". Simone de Beauvoir war seine Lebensgefährtin.

Nicht vergessen sollten wir auch Immanuel Kant, der 1724 in Königsberg, Preussen geboren wurde - wo er 1804 auch starb. Er war ein Philosoph der Aufklärung. Bekanntes Werk aus seiner Feder:
Kritik der reinen Vernunft.

.... ach ja - dagegen wandte sich Herders (Philosoph der Weimarer Klassik) "Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft".

Und eigentlich - finde ich es grad jetzt wertvoller, hier dieses Posts zu lesen  :paper:, als die Antworten im QD abrufen zu können.
Drum ganz speziell: Ein herzliches Dankeschön für diesen Thread! Genial! 8)






Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Margaretnerin am 17.09.2015 19:33
Zitat von: Röschti Quizzerin am 17.09.2015 19:29


Und eigentlich - finde ich es grad jetzt wertvoller, hier dieses Posts zu lesen  :paper:, als die Antworten im QD abrufen zu können.
Drum ganz speziell: Ein herzliches Dankeschön für diesen Thread! Genial! 8)

Ganz Deiner Meinung!!!
:paper: :hug: :think:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 17.09.2015 21:52
 :winke:

:up:

:-*
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 18.09.2015 11:46
Nochmal danke für die tollen Feedbacks und einige gute Anregungen und Ergänzungen.  Wem diese Ausführungen gar zu tiefsinnig erscheinen - trotzdem lesen. Habe hoffentlich genug an qd relevanten Facts eingebaut...

Das Ende des römischen  Reiches und die Zeit der Völkerwanderung brachte nochmal einen großen Einschnitt. Wieder gingen viele Werke der Antike verloren. Manches wurde zwar in den Klosterbibliotheken aufbewahrt. Aber gelesen, geschweige denn verinnerlicht? Fehlanzeige... 

Um die Lateinkenntnisse der Mönche war es oft schlecht bestellt.

Und bei griechisch sah es noch schlechter aus.

Kleiner Tipp. Lest das Buch über die Päpstin. Oder seht euch den Film an. Der gibt ein stimmiges Bild über diese ziemlich finsteren Zeiten.

Auch Aristoteles Schriften gerieten im christlichen  Europa  weitgehend in Vergessenheit. Verloren waren sie alledings nicht. Es waren Muslime, die sie bewahrten, sich eingehend damit befassten und so einen jahrhundertelangen wissenschaftlichen Vorsprung der arabischen Welt sicherten.
Über das muslimische Spanien (Cordoba und Granada) gelangte das Wissen auch wieder ins Abendland.

Aber seeehr langsam...

Wie rückständig das Abendland aber war und blieb, zeigt sich z.B. in medizinischer Hinsicht. In der Pest (Yersinia pestis) sahen die Menschen eine Strafe Gottes, machten  Jagd auf religiöse Minderheiten oder versuchten ihren (Ab-)Gott mit extremen Bußpraktiken zu versöhnen (Flagellantentum).

Die Ursache in mangelnder Hygiene, in  Flöhen und Ratten zu suchen, kam ihnen nicht in den Sinn.

Wenn wir also heute über den Geisteszustand bestimmter Muslime aufregen - unsere Vorfahren waren ganz ähnlich gestrickt. Und die Menschen in  der islamischen Welt in vielerlei Hinsicht viel besser dran.

Was Abraham, Jesus oder Mohammed zu ganz speziellen Nachfolgern und Anhängern ihrer Lehre sagen würden...   Eine gute Frage...

Ich bohre noch einmal ganz tief. Und erinnere den tunesischen Gelehrten Ibn Khaldoun (1332 -1406), der als Vater der modernen Soziologie gilt. Klar kennt er seinen Aristoteles, der sagte, dass der Mensch ein soziales Wesen ist. Er bleibt aber nicht bei dessen Erkenntnissen stehen, sondern untersucht selbst Sozialsysteme - ausgehend von den Stammesverbänden  bis zu den hochentwickelten Stadtkulturen seiner Zeit.

Und fragt nach den Folgen des "modernen" städtischen Lebens auf die Menschen (Verlust an traditionellen Werten, an Solidarität, Machtstreben der Oberen, Konsumdenken der Masse, ungesunde Lebensweise...).

Das ist Zivilisationskritik pur und von bleibender Aktualität...

Zurück zu Aristoteles und seiner Bedeutung für das europäische Mittelalter. Mit der Zeit wird der "Große Heide" neben der Bibel zu d e r Quelle wahrer Erkenntnis.

Ihn kritisch überprüfen ist undenkbar und gefährlich dazu...

Wobei es tatsächlich mutige Denker gab, die sich diesem Diktat widersetzt haben...

Womit wir zu William von Ockham kommen...

Fortsetzung folgt...
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 18.09.2015 11:55
 :coffee:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 18.09.2015 12:29
Danke für weitere nette Feedbacks! Und weiter geht's!

Ich komme noch einmal auf Umberto Ecos Klosterkrimi zurück. Und auf den scharfsinnigen "Helden", den Franziskanermönch William von Baskerville, den Sean Connery in großartiger Weise dargestellt hat.

Der Name dieses Mönchs ist natürlich eine Reverenz an Arthur Conan Doyles Meisterdetektiv Sherlock Holmes. Er trägt aber auch Züge eines großen Denkers seiner Zeit: Eben William von Ockham (1288-1347).

Wie sein historisches Vorbild präsentiert sich Ecos Held als revolutionärer Vordenker der Moderne. Der es wagt, seine Vernunft und seinen kritischen Verstand zu gebrauchen

Er löst sich von den Fesseln der Tradition und macht sich en passant  Gedanken über Fahrzeuge, die aus eigene Kraft  fahren oder fliegen (!).

Und das zweihundert Jahre bevor Leonardo seine Skizzen von Fluggeräten schafft, etwa des Hubschraubers, der ja erst in den 1930 Jahren echte Flugreife erlangte...

Besondere Bedeutung hat der historische William durch eine wissenschaftliche Methode, die als "Ockhams Rasiermesser" berühmt wurde.

Der Ansatz ist eigentlich ganz einfach. Ich zitiere aus der Wikipedia:

"Steht man vor der Wahl mehrerer möglicher Erklärungen für dasselbe Phänomen, soll man diejenige bevorzugen, die mit der geringsten Anzahl an Hypothesen auskommt und somit die ,,einfachste" Theorie darstellt."

Das ist nicht nur ein Prinzip moderner Forschung.

Es erinnert auch an Sherlock Holmes scharfsinnige Detektivarbeit. An seine Methode der Deduktion oder Reduktion, mit der er aus einer Vielzahl von Fakten, Eindrücken und Schlussfolgerungen per Ausschlussverfahren die einzig richtige Antwort herausfindet...

Was für eine Methode...  Waahnsinn..

Da sieht der gute Abt Abbo aus dem Kloster genauso alt aus, wie der reichlich oberflächliche  Inspektor Lestrade einige Zeit später...

Merke, Nicht das Genie ist seiner Zeit voraus. Es ist der normale Zeitgenosse, der hinterher hinkt...

So viel für heute.

Have fun!

De Pälzer Wolf!  :coffee:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: KleineWeisheit am 18.09.2015 13:25
[emoji106]🏻[emoji4][emoji253]


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Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Margaretnerin am 18.09.2015 17:15
 :cheerlead: :cheerlead: :cheerlead:

Ist der Wolf am Philosophieren...
Fängt der Fan an zu studieren.

Inhaltsreich und leicht zu merken...
Crashkurs aus den Originalen Werken.

Ich danke Dir und freu mich sehr!
Auf mehr , auf mehr und noch viel mehr!!! :-* :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Not Defined am 18.09.2015 17:54
Ich muss hier jetzt auch mal ne kleine Lanze für den Wolf brechen. :up:

Was der hier so zwischen Tür und Angel an Wissen verbreitet,
geht auf keine Kuhhaut.

Müsste ja mit dem Teufel zugehen, wenn...  ;)
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 18.09.2015 18:54
  :))

:up:

:gruknu:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 20.09.2015 17:03
:Hallo miteinander!

Wieder juckt es mich in den Fingern. Ich möchte Euch einladen zu einer kleinen Zeitreise unter geschichtsphilosophischen Gesichtspunkten. Da gibt es auch einiges qd relevantes zu entdecken.

Nehmen wir das Altertum. Genauer die Zeit um 600/500 v.u.Z. Das ist in die Zeit von  Siddharta Gautama, der als d e r Buddha verehrt wird. Die Daten seiner Biographie sind keineswegs eindeutig. Geboren ist er aber wohl in  Lumbini in der Himalaya-Region. Damals ein indischer Staat, der heute zu Nepal gehört. (Fangfrage).

Auch bei dem Perser Zarathustra gibt es Probleme mit der Datierung. Es gibt aber Forscher, die ihn für einen Zeitgenossen Buddhas halten. Seine Anhänger sind die Parsen. Ihr Glaube lässt sich als dualistisch beschreiben. Das heißt: Die Welt ist gezeichnet von  einem ewigen Kampf von Gut und Böse, der guten Gottheit Ahura Mazda und ihrem Widersacher Ahriman.

Das ist megastarker Stoff, der seinen Niederschlag u.a. in der Bibel gefunden hat. (Denkt an Satans Wette mit Gott zu Lasten des geplagten Hiob. Dass drei besorgte Besucher ihm theologisch beizukommen suchen,  ist da keine große Hilfe. Das geht im Gegenteil - auf keine Kuhhaut...  ;) )

Nicht zu vergessen Goethes Faust mit dem Mephisto(pheles), einem späten, aber auch gerissenen Nachfahren von Ahriman, Satan, Beelzebub und wie er noch genannt wurde. Viel Pläsier hat er übrigens mit seinem Lieblingstier - seiner Muhme, der Schlange...

Nun ein dritter interessanter Sachverhalt. In dieser Zeit lebte auch Konfuzius. Das gilt als gesichtert. Eher legendär ist die Gestalt des  Lao Tse, dem er begegnet sein soll. Letzterer ist der  (angebliche) Verfasser einer der berühmtesten Weisheitschriften überhaupt - der Spruchsammlung Tao te King.   :opa:

Eine kleine Zugabe? Die Zeit um 500 ist auch die der ersten großen griechischen Philosophen. Ich erinnere mal die Namen Thales, Pythagoras und Heraklit.

Irgendwie bemerkenswert, dass in  dieser alten Zeit eine recht kleine Weltbevölkerung so viele große Geister hervorgebracht hat. Ich frage mich, wo sind die alle geblieben?

Keine qualifizierten Nachfolger in Sicht? Keine Bewerbungen?

Tja, Freunde, das ist Geschichtsphilosophie... . Denkt mal darüber nach.

Ich koche mir jetzt einen schönen Kaffee. Übrigens Kopi Luwak ist gar nicht so schlecht. Ihr dürft nur nicht dran denken, dass bei der Herstellung eine kleine Schleichkatze eine wichtigen Beitrag leistet. Ich sage mal Fermentation.  :))

Und damit genug qd-Stoff und  brainfood fürs Erste. Bis zum nächsten Mal.

Euer Pälzer Wolf...   :coffee:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: KleineWeisheit am 20.09.2015 20:45
[emoji106]🏻


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Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 23.09.2015 17:24
Wieder einmal ist Zeit für ein kleines Brett mit einer Fortsetzung zum Thema Geschichtsphilosophie.

Wenn wir die verschiedenen Zeitalter bedenken,  kommt als nächstes die Zeitenwende in den Blick, die durch die Geburt Jesu markiert wird. Dazu ist viel zu sagen, was aber eher in den Bereich Glaube und Religion fällt.

Auffällig ist , das der damals regierende Kaiser Augustus sich zwar mit Dichtern umgibt, aber keinen offiziellen Staatsphilosophen hat.

Immerhin hat Vergil nach dem Vorbild der Werke Homers (Ilias und  Odysee) mit seiner Aeneis eine Art Gründungsmythos Roms geschrieben.

In dem sich ein Regierungsprogramm der Kaiserzeit findet.

"Römer, denke daran, mit deiner Herrschaft die Völker zu regieren, den Frieden mit römischer Lebensart zu verbreiten, die Besiegten zu schonen und die Hochmütigen zu vernichten."

Klingt toll nicht wahr? Allerdings klafft es da schon wieder. Sonst hätten die Germanen ja nicht im Jahre 9 in einer konzertierten Aktion die drei Legionen des Varus vernichtet.
Der Gute hat wohl etwas übertrieben mit seiner Lebensart und den damit verbundenen Befriedungsaktionen. In Syrien ein paar Jahre zuvor übrigens auch - wo der Busenfreund des Kaisers ein ausgeblutetes Land hinterlassen hatte...

Auch die Harzhorn-Kampagne von 235 war sicher keine Friedensmission, sondern diente dazu, den gar nicht so tumben Germanen mit aller Macht zu sagen wer (immer noch) das Sagen hatte.

Klingt vertraut - nicht wahr?

Eine weitere Zeitenwende ist um das Jahr 500 gegeben. Ich sage mal: Ende des römischen Reiches, Völkerwanderung und - wenig später  -  das Aufkommen des Islams, mit dem die kulturelle Einheit des Mittelmeerraumes endgültig zerbricht. 

Interessant für Zeitphilosophen ist die Sache mit Mohammed und seiner "Hedschra", ein Begriff der "Auszug" bedeutet: Mit diesem Akt - eigentlich einer Flucht vor seinen Gegnern in der Heimatstadt Mekka Richtung Medina (622) - beginnt noch einmal eine neue Zeitrechnung, die bis heute Bestand hat. 

Da steckt ja auch ein Machtanspruch dahinter. Oder der Anspruch auf "Deutungshoheit"... 

Damit erst mal genug. Trinke nochmal einen starken Kaffee. Der Name kommt übrigens von der äthiopischen Provinz Kaffa, wo Hirten - einer Legende zufolge  - erstmals die anregende Wirkung der Kaffeebohnen bzw. Beeren spürten: Ihre Ziegen hatten an den Sträuchern geknabbert und waren anschließend ziemlich aufgekratzt.

Der Trank war bei Muslimen bald sehr beliebt. Umso mehr, da ihnen Alkohol ja verboten war.

Bei der gescheiterten 2. Belagerung Wiens Anno 1683 blieben viele Säcke Kaffee zurück, der als Viehfutter genutzt wurde.  Woher sollten die wackeren Christenmenschen es auch besser wissen?

Die Entstehung der Wiener Kaffeehäuser ist zumindest indirekt einem türkischen Überläufer zu verdanken, der entscheidende Informationen zum Gebrauch der Bohnen publik machte. Herzlichen Dank!  :coffee:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Margaretnerin am 23.09.2015 17:51
Vielen Dank lieber Wolf!!!  :-*

Nach dieser aufschlussreichen Lektüre und um die Sache  kulinarisch abzurunden (die Philosophie überlasse ich den Kennern), sei erwähnt, dass nicht nur der Kaffee nach der 2. Türkenbelagerung seinen Weg nach Wien gefunden hat, sondern auch das von uns Wienern vielgeliebte Kipferl (Hörnchen), das am besten in Symbiose mit dem schwarzen Muntermacher genossen wird. Am allerbesten, indem man es eintunkt ;) In diesem Sinne: Prost -Mahlzeit :))
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 23.09.2015 18:00
 :))

:winke:

:-*
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 23.09.2015 19:04
Danke für das nette Feedback einer lieben Wienerin.

Dann setze ich meine Ausführungen fort und wage einen Riesensprung in die Neuzeit, die ja um 1500 beginnt.

Wobei sich sofort die Frage stellt. Was kennzeichnet diese Neue Epoche?

Da ist zunächst einmal die Erfindung es Buchdruckes mit beweglichen Lettern. Vorbei ist die Zeit als Mönche zu jahrelanger Hand- und Schreibtischarbeit gezwungen waren. Nun ist es möglich eine Vielzahl von Büchern in relativ großer Auflage zu produzieren und dabei die Kosten zu senken. Bildung wird damit für weitere Bevölkerungsschichten erschwinglich. Und das Informationsmonopol der Mächtigen (Kirche) ist zumindest brüchig geworden. Ich saach mal: Keine Reformation ohne Buchdruck......  :reader:

Die Entwicklung legt Vergleiche mit der Neuesten Zeit nahe, wo das Internet manchen Mächtigen nervös macht...  >:D

Ein weiterer Punkt ist sicher, dass sich mutige Entdecker mit  Nussschalen auf Entdeckungsreise begeben. Kolumbus nach Westen. Vasco Da Gama nach Osten rund um Afrika herum. Ihr Fernziel waren die Schätze des Orients (z.B. Gewürze), an die auf dem Landweg nur noch schwer heranzukommen war.  Die alten Handelsstraßen waren nämlich durch neue Machtfaktoren (Islam) mehr oder weniger blockiert. Erst recht,  als die östliche Drehscheibe des Handels, das oströmische Reich in immer größere Schwierigkeiten kam.  Das Ende  kam schließlich 1453, als die Hauptstadt Konstantinopel in türkische Hand fiel. Schon vorher allerdings hatten viele Handschriften den Weg nach Westen gefunden. Und kluge Köpfe dazu.

Die Renaissance - also die Wiedergeburt Europas im Geiste der Antike - ist davon maßgeblich beeinflusst.

Was sich an einigen qd relevanten Beispielen zeigen lässt.  ;)

Da ist das berühmte Bild von Sandro Botticelli, das die Geburt der Venus zeigt. Ein antikes Motiv, das jetzt mit vielen anderen Eingang in die abendländische Kunst findet.

Da ist Leonardo da Vinci mit seinem vitruvianischen Idealmenschen, der auch die italienische 1 Euro Münze ziert.
Ein starkes Bild - klassisch und modern zugleich. Anatomisch perfekt - die Quadratur des Kreises :))

Ich erinnere die revolutionären Entwürfe von Flugmaschinen (incl. Hubschraubern und Fallschirmen), die einen radikalen Bruch darstellen mit dem was bislang für möglich und "vernünftig" gehalten wurde.

Da ist die simple Tatsache, das der Nürnberger Künstler Albrecht Dürer anfängt seine Werke zu signieren. Nämlich mit einem großen A und einem darunter gestellten kleinen D. Er zeigt sich damit als typischer Renaissancekünstler mit einem neuen Selbstbewusstsein, wie es das vorher nicht gegeben hat.

Auch das Werk des Philosophen Niccolo Machiavelli atmet einen neuen Geist. Mit seinem "Fürsten"  zeigt er sich nicht einfach nur ein Opportunist und Schmeichler.
Ihm liegt ein erschreckend modernes, analytisches Verständnis von Macht zugrunde, die weniger von moralischen Werten bestimmt ist, als von der Einsicht in das "Notwendige", Kalkül, Strategien und - letztlich - von Erfolg. Eigenschaften, die er in dem Papstsohn (!) und Borgiaprinzen Cesare  verkörpert sah, der unter moralischen Gesichtspunkten denkbar schlecht wegkommt...

Den Geist der Renaissance spiegelt sehr schön ein Zitat aus dem Film "Der dritte Mann" wider. Geschrieben und gesprochen von dem unsterblichen Orson Welles, der hier den skrupellosen Kriminellen Harry Lime verkörpert.

,,In den 30 Jahren unter den Borgias hat es nur Krieg gegeben, Terror, Mord und Blutvergießen, aber dafür gab es Michelangelo, Leonardo da Vinci und die Renaissance. In der Schweiz herrschte brüderliche Liebe, 500 Jahre Demokratie und Frieden. Und was haben wir davon? Die Kuckucksuhr!"

Wobei ich eine Lanze für die Schweiz als Ursprungsort der modernen Demokratie brechen möchte.

Und noch einen Hinweis nachschiebe: Welles irrte sich nicht nur in politischer Hinsicht:

Die Kuckucksuhr stammt aus dem Schwarzwald!  :))
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: KleineWeisheit am 24.09.2015 10:24
 :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 06.10.2015 20:06
Philosophie im Zeitalter der Reformation

Mit dem Beginn der Neuzeit beginnt  auch ein  neues Kapitel in der Geschichte der abendländischen Kirche.

Das Zeitalter der Reformation – eng verknüpft mit dem Namen Martin Luthers. Der maßgeblich dafür verantwortlich ist, dass die katholische Kirche ihre jahrhundertealte Monopolstellung verliert.

Eigentlich kein philosophisches Thema. So ließe sich sagen. Und Luther war sicherlich kein philosophischer Denker, sondern ein scharfer Kritiker des mittelalterlichen Denkens, wo ohne Aristoteles und Co.  kaum etwas ging.

Luther war auch kein Revolutionär – im Gegenteil. Im Alter präsentiert er sich als körperlich wie geistig unbeweglicher Patriarch,  dessen Schüler seine Tischreden für die Ewigkeit bewahrten. Und den Lehrer recht bald als ihren – quasi evangelischen - Papst verehrten.

Am Anfang sah alles noch anders aus. Da entdeckt ein von Glaubenszweifeln geplagter Mönch die Bibel – oder genauer die Botschaft Jesu Christi – als DIE entscheidende Erkenntnisquelle. Und stellt folgerichtig einige unbequeme Fragen an das religiöse Establisment. Wo steht geschrieben, dass Kirche sich wie ein multinationaler Konzern präsentiert, der eine Monopolstellung aufbaut – und seine Dienstleistungen nur gegen härteste Münze anbietet?
Wo steht geschrieben, dass die Konzernspitze das Unternehmen mit einer maßlosen Firmenpolitik (Repräsentationsbauten wie der Petersdom) an die Wand fährt und die kleinen Leute auch dafür zahlen müssen?

Zum Glück gibt es ein Produkt, das reißenden Absatz findet. Einen quasi Freibrief für alle Sünden – der von findigen Vertretern unters Volk gebracht wird. Mit dem schönen Werbespruch. ,,Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt." Oder modern  übersetzt: ,,Wer gut schmiert, der gut fährt..."

Gegen diese Korruption läuft der kleine Wittenberger Mönch Ralph Fiennes – Pardon: Martin Luther  - Sturm. Und schlägt – angeblich – 95 Kernsätze gegen dieses Unwesen an die Türe der Schlosskirche an.

Womit er sich gewaltigen Ärger einhandelt. Wobei sein sächsischer Landesherr Peter Ustinov – Pardon: Friedrich der Weise – im Hintergrund die Fäden zieht, um sein Mönchlein vor dem Schlimmsten zu bewahren.

So bekommt dieser eine offizielle Vorladung nach Worms, wo er sich vor dem versammelten Reichstag äußern soll.

Er tut dies mit folgender Erklärung: Ich will widerrufen, wenn ich durch die Bibel oder durch die Vernunft widerlegt werde. Nicht weil Autoritäten mir das befehlen. Denn Autoritäten können irren und irren auch!

Hier stehe ich. Ich kann nicht anders.

Hier wird es philosophisch. Denn hier geht es um das hohe Gut der Glaubens- bzw. Gewissensfreiheit In Glaubensdingen  kann und darf es keinen Zwang geben. Mehrheitsbeschlüsse greifen hier nicht. Verordnen und erzwingen - das geht erst recht nicht!

Es gilt der Grundsatz. Nicht mit Gewalt, sondern durch das Wort.

Das klingt sehr modern, nicht wahr? Gerade in einer Welt, in der Fundamentalisten den alten Traum vom Gottesstaat träumen und selbsternannte Glaubenswächter ihre Mitmenschen mit Macht daran glauben lassen...

Luther hat da seine Erfahrungen gemacht. Und ordnet das Verhältnis von Kirche und Staat neu. Die Aufgabe der Kirche ist Predigt, Seelsorge und Diakonie. Die Aufgabe des Staates ist der Erhalt der öffentlichen Ordnung und des Friedens, wodurch die Kirche erst ihren Dienst tun kann. 

Luther steht hier im Dialog mit klugen Staatsmännern seiner Zeit. Und macht sich auch Gedanken über eine Weltfriedenordnung. Nicht länger sollen Kriegsherren – Warlords – nach Belieben agieren können, ohne Sanktionen fürchten zu müssen. Ein Gerichtshof sollte sich um sie kümmern – und idealerweise auch eine mobile Friedenstruppe, die dem Recht Geltung verschaffte.

Keine schlechte Idee, die aber daran scheiterte, dass auch die Machthaber damals - groß und klein - auf ihren politischen Vorteil bedacht waren.
Moment – gibt es da nicht eine moderne westliche Supermacht, die immer wieder Vetos einlegt, wenn Entwicklungen nicht in ihr geopolitisches Gesamtkonzept passen?

Und was ist mit diesem sudanesischen Politiker (Umar al Bashir - genau!), der – obwohl vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Völkermordes rechtskräftig verurteilt - weiter munter die Welt bereist?

Luther war also schon ein kluger Kopf. Wobei er sich in chaotischen Zeiten leider dazu gezwungen sah,  mit Landesherren zu kooperieren,  die sein Programm der Reformation – nicht immer uneigennützig -  unterstützten.

Die ganz große Reform in Kirche und Politik kam so ins Stocken. Wurde Privat- und Ländersache. Und so stockt sie eigentlich immer noch.

Wobei Schweizer Kollegen das Werk Luthers weitergeführt haben und das gar nicht einmal so schlecht...

Ich sage mal: Jean (Johannes) Calvin. Tätig in Genf...

Fortsetzung folgt...
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 06.10.2015 20:13
Danke. Eigentlich sind es "nur" Fakten. Wobei die Verhältnisse damals sich von den Unseren gar nicht so sehr unterscheiden...

Leider...  :-\
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Röschti Quizzerin am 13.10.2015 01:52
Zitat von: Wolf Caffiz am 06.10.2015 20:06
Philosophie im Zeitalter der Reform
.........

Fortsetzung folgt...

...ja, bitte.
Da fehlt direkt die Funktion"Blog abonnieren" im Forum.
Einmal mehr: D A N K E  :-*
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 14.10.2015 19:25
Wie versprochen wieder eine  Runde Philosophie. Wo simmer denn dran? Ach ja die Fortsetzung mit Johannes Calvin, dem genialen Organisator (bräuchte ich im Moment auch beim Sortieren meiner Bibliothek!)  :'(

Ich werde wieder versuchen, ein paar qd Tipps einzubauen.

Und fange an mit einem Blick auf die Karte unserer Bundesrepublik. Auf die 11 alten Bundesländer, zu denen mit der Wiedervereinigung 5 neue gekommen sind.
Was das Regieren nicht immer einfach macht.
Hier die Interessen des Bundes - dort die der Länder...  >:D

Wie war das erst in der alten Zeit, als das Reich ein Flickenteppich von rund 400 Herrschaften war?  >:(

Hätte man den alternden Luther nach der Zukunft gefragt, er hätte müde abgewunken. "Meine Deutschen sind ein wildes Volk!" hätte er gesagt. "Mit denen ist kaum eine Reformation zu machen. Und Staat schon gar nicht."

Wirklich nicht?  :-\

Es es gab durchaus Experimente mit Demokratie. Vor allem in den freien Reichsstädten. Hamburg und Bremen halten die Tradition bis heute aufrecht.
Auch Frankfurt gehörte früher dazu. Weshalb sich auch das erste demokratisch gewählte Parlament 1848 in der dortigen Paulskirche versammelte... ein Jahr später hatten die Fürsten schon wieder Oberwasser...  :guns:

In der Schweiz sah manches anders aus. Schon viel früher. Günstige Bedingungen für Reformatoren, Kirche u n d Staat zu machen. Wobei das Genf Jean (Johannes) Calvins zu einer christlichen Musterstadt wurde. Zumindest für Calvins Freunde und Anhänger. Wer andere Überzeugungen vertrat, der hatte es immer noch ziemlich schwer...  :baseball:

Immerhin: Viele Studenten aus ganz Europa kommen nach Genf. Und sorgen dafür, dass die Reformation zu einer weltweiten Bewegung wird. Der Franzose Theodor Beza ist da zu nennen, der ausgehend von Luthers und Calvins Gedanken zur Obrigkeit den Gedanken eines Widerstandsrechtes entwickelt. Was die französischen Hugenotten ("Eidgenossen") zeitweise zu einem Staat im Staate machte. (Denkt an Dumas und seine Musketiere, die auch in die Kämpfe um La Rochelle verwickelt werden...) 

Der Niederländer Hugo Grotius ist ein Vordenker des Völkerrechtes, und stößt die Türe ganz weit Richtung Neuzeit auf. :reader:


Auch ökonomisch können die Reformierten punkten. Weil sie allem äußeren Prunk kritisch gegenüberstehen, investieren sie Gewinne aus Geschäften wieder ins Geschäft, was ja verbunden mit echter Fleißarbeit manches Unternehmen voranbringt.

Der Soziologe Max Weber hat dies eindrücklich beschrieben.  :opa:

Solche Erfolgsgeschichten wiederum gelten als untrüglicher Beweis, dass Gott die Seinen liebt. Und Misserfolg ein deutliches Indiz für das Gegenteil ist. (Typisches Beispiel aus der Bibel. Isaaks Söhne. Der findige Jakob und der - angeblich - ziemlich tumbe Esau. Genau!)

So hat diese Erfolgsgeschichte ihre Tücken. Denken wir an die bibelfesten Siedler, die sich berufen sahen, den "gottlosen Wilden" in der Neuen Welt Saures zu geben.

Oder an die Buren in Südafrika, die  das berüchtigte Apartheidsystem entwickelten, das Nelson Mandela 18 Jahre auf der Hölleninsel Robben Island bescherte (und weitere acht Jahre andernorts, bis zu seiner Freilassung 1990).

Oder die Anhänger der TEA Party (Taxed enough already), für die ein starker Sozialstaat ein Übel ist, weil er den Bürger in seiner Eigeninitiative bremst und sogar jenen Sicherheiten gibt, deren Leben eben keine Erfolgsgeschichte ist... (!)  >:(

Ich denke, da wurde der gute Calvin fundamental falsch verstanden oder sehr eigenwillig interpretiert. Es ging ihm eigentlich darum, seinen schwer geplagten Glaubensgenossen Mut zu machen. Sich in einer feindlichen Umwelt zu behaupten. Seelsorge war sein Anliegen - nicht die biblische Keule zu schwingen...  :up:

Aber so ist das mit der Religion. Und mit dem Leben überhaupt. Die Antworten, die heute richtig sind, können morgen schon grundfalsch sein. Es braucht immer wieder Leute mit Traute, quer- oder umzudenken. Ich sage mal. Permanente Revolution - ähh Reformation!

:servant:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: trusblue am 14.10.2015 19:54
Lieber Wolf,
dieser lehrreiche Beitrag hat mir sehr gefallen!
Vieles aus der Schulzeit wurde wieder "erweckt"!
Und...
eigentlich ist es ungerecht,
dass du für diesen post nur einen Zähl-Punkt bekommst! ;)
Es grüßt dich Sabine
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 14.10.2015 20:14
 :wine:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 17.11.2015 20:37
Wieder einmal ist es Zeit für eine Fortsetzung. Die ich mit einer Bildbetrachtung beginnen möchte. 

AD 1500 malt Albrecht Dürer ein für damalige Verhältnisse ungewöhnliches Selbstportrait.

Frühere Künstler haben sich höchstens als Randfiguren in frommem Kontext verewigt.  O:-)

Er setzt sich in Szene und zwar  f r o n t a l. Er wählt also eine Form, die traditionell Christus vorbehalten war.  Das einzig wahre Menschen-Bild, wie es auch das Turiner Grabtuch zeigt.

Das Werk zeigt das neue Selbstverständnis bzw. das Selbstbewusstsein eines modernen Menschen.
Der sich auch gegenüber kirchlichen Autoritäten kritisch zeigt. Zumal diese das Vertrauen  der  Gläubigen oft strapaziert hatte. Und dabei auch Manipulationen nicht scheute.  >:(

Ein typisches Beispiel ist die sog. ,,Konstantinische Schenkung". Ihr Inhalt klingt nach einer frommen Legende. Der Kaiser ist schwer erkrankt. Papst Silvester macht seinen Einfluss an höchster Stelle geltend. Der Kaiser wird wieder gesund und übergibt dem Papst die westliche Reichshälfte ,,bis ans Ende der Zeiten" und zieht sich nach Osten Richtung Byzanz bzw. Konstantinopel zurück (der einzigen Stadt auf zwei Kontinenten, die übrigens erst seit 1930 den heute bekannteren Namen Istanbul trägt.  :reader: )

Für die Päpste des Mittelalters war die ,,Schenkungsurkunde" ein wichtiger Beleg für ihre angebliche Weltherrschaft. Und wurde in Streitfragen mit weltlichen Herrschern entsprechend oft zitiert.  :bang:

Als Fälschung einer päpstlichen Kanzlei des 8. Jahrhunderts wurde sie erst zu Beginn der Neuzeit erkannt.  :o

Und zwar durch den deutschen Kirchenmann Nikolaus von Kues und den italienischen Gelehrten Lorenzo Valla, die der Fälschung durch genaue Analyse des Textes und der Wortwahl auf die Spur kamen.  :-\

Dennoch: Bis ins 19. Jahrhundert hinein hielt die katholische Kirche daran fest, dass die Urkunde zwar gefälscht sei, es die Schenkung aber dennoch gegeben habe!  :motz:

Keine sehr gute Verteidigungsstrategie. Aber man kann es ja versuchen. Und versucht ähnliches bis heute.  Auch in der hohen Politik...  :-\

Ist der Ruf erst ruiniert...

Noch desaströser war die Abwehrhaltung der Kirche im Umgang mit neuem wissenschaftlichem Gedankengut. Hier ist Giordano Bruno zu nennen, ein visionärer Freigeist und Anhänger des kopernikanischen Weltbildes, das die Sonne in den Mittelpunkt unsres Systems rückt.
Bruno geht sogar noch weiter. Macht sich  Gedanken über das Weltall  und spekuliert sogar über  andere Sonnensysteme bzw. Universen. Das kommt im päpstlichen Rom nicht gut an. Die kirchliche Ermittlungsbehörde – die Inquisition – wird auf ihn angesetzt. Giordano Bruno wird am 16.2.1600 auf dem Campo die Fiori verbrannt.
1889 hat die Stadt Rom ihm ein Denkmal gesetzt.
Seine Bücher blieben auf dem Index der verbotenen Bücher.
Den gibt es auch heute noch. Die Inquisition allerdings hat ihren Namen geändert. Sie nennt sich jetzt Glaubenskongregation.
Geleitet wurde sie lange Jahre mit typisch deutscher Gründlichkeit  von einem gewissen Kardinal Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt dem 16.  :priest:

Ein besseres Schicksal widerfuhr Galileo Galilei.  Einen Namen machte der sich unter anderen mit Studien zu den Fallgesetzen oder der Entdeckung der ersten von mittlerweile 67 Jupitermonden. Gefährlich wurde es, als er sich zum kopernikanischen System äußerte und die kirchliche Lehrmeinung dabei schlecht wegkam.  Im nun folgenden Prozess gab er nach. Eine bloße Demonstration der Verhörwerkzeuge genügte. Er war eben nicht mehr der Jüngste. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in relativ kommodem Hausarrest. Wobei nicht ganz klar ist ob er wirklich die Worte gesprochen hat für die er berühmt geworden ist. ,,Und sie bewegt sich doch".  :-[

Für die Kirche war es ein Pyrrhussieg, also einer, der mit erheblichen Verlusten erzielt wurde.

Die Causa Galilei und der negative Ruf der Wissenschaftsfeindlichkeit  machten ihr schwer zu schaffen.

Eine Rehabilitierung des Wissenschaftlers erfolgte 1992. Was vielleicht doch etwa spät war.  :-\

Eine Statue im Vatikan ist seit längerem geplant.  Die Umsetzung lässt auf sich warten...

Wenn ihr mehr wisst – bitte melden...

Anzumerken wäre, dass im 17. Jahrhundert Religionskritik auch noch einen anderen wesentlichen Grund hatte.
Der 30jährige Krieg (1618 bis 1648) war ein großes europäisches Kräftemessen bei dem sich die Parteien auch des Glaubens bedienten.
Die Lektion aus dem Gemetzel? Es werden letztlich die Weichen Richtung Toleranz gestellt – ein Ergebnis, dass angesichts unzähliger Kriegsopfer allerdings äußerst teuer erkauft wurde...  >:(

So ist es kein Zufall, dass in dieser Zeit der Franzose Rene Descartes ein neues Kapitel der Philosophiegeschichte schreibt. Der kopernikanischen Wende ,,nach außen" folgte die cartesianische ,,nach innen".
Sein Kernsatz lautet. ,,Ich denke also bin ich" (,,Cogito ergo sum"). Der methodische Zweifel wird zum Instrument der wissenschaftlichen Forschung. Die Zukunft gehört dem selbstbewusst Fragenden rational geschulten Forschergeist, der traditionsverhaftete Autoritäten endgültig alt aussehen läßt.

Das Zeitalter der Aufklärung kündigt sich an.

Um es mit Kant zu sagen: Sapere aude! Wage es Dich Deines Verstandes zu bedienen!  :reader:

Aber das ist doch eine andere Geschichte...

Fortsetzung folgt...
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 17.11.2015 20:49
 :winke:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Margaretnerin am 17.11.2015 21:14
Ein herzliches Dankeschön unserem Wolf!!! :-*

Ich kann zwar kein Latein, drum auf Deutsch:

Ich lese also bin ich ....( auf dem richtigen Weg) ;)
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 17.11.2015 21:16
  :hug:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: pigamma am 18.11.2015 10:53
Ganz, ganz toll!  :up:
Man muss es mehrmals lesen, ganz langsam, um es wirklich zu verstehen. Bitte noch viel mehr davon...
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: trusblue am 18.11.2015 11:55
Lieber Wolf, 
das ist wieder mal super!
Verständliche Sprache, gut gegliedert
und daher sehr gut zu lesen!
Danke!
LGvS
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: KleineWeisheit am 18.11.2015 13:44
Toll. vielen Dank!
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Steinreiche Helga am 18.11.2015 13:48
Danke Wolf  :winke:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 18.11.2015 18:15
Vielen Dank für Eure Feedbacks. Und für die zahlreichen Clicks sowieso. Ich dachte zunächst wirklich, das Thema wäre zu exotisch und würde - wenn überhaupt - nur von einigen Insidern gelesen.  :-\

Umso mehr freut mich die Resonanz.  :))

Auch bei LeserInnen, die nicht Mitglieder unseres Forums sind. 

An Euch nochmal die Bitte: Nicht nur mitlesen und Infos für künftige Battles suchen.

Werdet Mitglieder einer super Community. Doppelter Spaß am QD ist garantiert.

Mindestens!  :up:

Und das ist doch das, was zählt!

Und ja! Eine Fortsetzung ist in Vorbereitung. Bin selber gespannt wohin die Reise geht...

Liebe Grüße...

Euer pelzer Wolf!  :winke:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 29.11.2015 22:12
In diesen Tagen wurde im QD ein Begriff gefragt, der geradezu einlädt, den Philosophiefaden wieder aufzunehmen und weiterzuspinnen.

Gefragt war – die Theodizee....   :reader:

Das griechische Wort bedeutet ,,Gerechtigkeit Gottes" oder auch ,,Rechtfertigung Gottes".  Und versucht Antwort auf eine wirklich schwierige Frage zu geben.
,,Wenn Gott allmächtig und gut ist, woher kommt dann das Böse in der Welt?"
Oder ist Gott eben nicht so allmächtig und gut. Aber was wäre das für ein Gott?  :-\

Schon die biblischen Schriftsteller befassen sich eingehend mit dieser Frage. Etwa in der Geschichte vom Sündenfall, wo das Böse in Gestalt der Schlange Adam und Eva verführt.   Dass seitdem buchstäblich der Wurm drin ist, ist also nicht dem Schöpfer anzulasten...

Auch  nicht einem gleichfalls mächtigen Widersacher, wie ihn die Religion der Parsen, der Zoroastrismus kennt . Wo sich der gute Gott Ahuramazda und sein böser Bruder Ahriman bis ans Ende der Zeiten bekämpfen.

Diese Vorstellung hat allerdings auch in ,,abgeschwächter" Form Eingang in die Bibel gefunden. Im Hiobbuch, wo der Satan als Teil des göttlichen Hofstaats auftritt und von höchster Stelle die Erlaubnis bekommt, das Gottvertrauen des  frommen Hiob kräftig auf die Probe zu stellen.
Was nicht zufällig an den Prolog des Faust erinnert, wo Goethe mit Mephisto einen genial abgründigen Charakter geschaffen hat....

Gut – am Ende rückt Gott alles zurecht. Hiob wird für alles Leid entschädigt. Aber ein ungutes Gefühl bleibt. Sind wir nur Teil eines großen Spiels – Marionetten gewissermaßen?  Und ist es für einen geplagten Menschen wirklich ein Trost,  wenn  endlich doch ein Gott "da oben" in unergründlicher Weisheit das letzte Wort behält? 

Mir persönlich hilft da die Botschaft des Neuen Testaments, wo sich Gott in Jesus Christus als mitfühlender und mitleidender Gott erweist. Aber da geht es um Fragen des Glaubens – und jeder ist da eingeladen und gefordert,  seine Antworten zu finden.

Zurück zur Philosophie. Und da gab es schon in der griechischen Antike Denker, die aufgrund dieses Problems zu Agnostikern wurden, also massiv die Frage nach der Existenz Gottes stellten. Oder Atheisten, die aus eben diesen Gründen sagten: Es gibt keinen Gott...

:think:

Machen wir einen großen Sprung in die Zeit der Aufklärung. Und kommen wir zu Gottfried Wilhelm Leibniz, der den Begriff der Theodizee überhaupt erst geprägt hat. Und eine Antwort auf die Frage fand, indem er sagte: Diese Welt ist die Beste aller Möglichen...  :opa:

Denn Gott wäre ja nicht das vollkommene Wesen, wenn er etwas anderes als die ,,beste aller möglichen Welten" für die Menschen erschaffen hätte.  Wenn Menschen da zu anderen Antworten  kommen,  liegt das an unserer allzumenschlichen Begrenztheit. Wir können den Sinn des Ganzen nicht erkennen und verstehen. Und vielleicht macht das, was uns sinnlos oder böse erscheint,  auf höherer Ebene eben doch Sinn?

Hand aufs Herz. Ist das eine befriedigende Antwort?  Ein anderer großer Aufklärer sagt ,,Nein!". François-Marie Arouet - bekannter unter dem Namen Voltaire. Der hat in seinem satirischen Werk ,,Candide oder der Optimismus" diese Lehre äußerst spöttisch hinterfragt. Dieser Candide ("der Reine, Unschuldige") ist ein junger, optimistischer Mann, der – begleitet von seinem philosophisch geschulten Mentor Pangloss (dem "Alleskommentierer") -  durch die Welt reist  und aufgrund immer neuer Katastrophen Schritt für Schritt von der o.g. These abrückt.
Während Pangloss unbeirrt an der zunehmend ad absurdum geführten These Leibniz' festhält, kommt Candide am Ende zu einer sehr modernen Schlußfolgerung.

Schluss mit all  den Spekulationen über Gott und die Welt. Es ist an uns, unserem Leben einen Sinn zu geben. Ganz konkret.

,,Wir müssen unseren Garten bestellen!" 

Das hat Voltaire übrigens selber in die Tat umgesetzt. Im fortgeschrittenen Alter kaufte er in der Nähe von Genf – im Grenzgebiet zwischen der Schweiz und Frankreich - die Landgüter Ferney und Tourney. Er bewirtschaftete sie ebenso einfalls- wie ertragreich. Und mit klarem Blick für die Bedürfnisse seine Pächter und Landarbeiter, denen er auch in der kalten Winterzeit einträgliche (Heim)arbeit gab.

Ein gelungener Beweis, dass Philosophie zu sehr praktischen Konsequenzen führen kann.

Und damit vielleicht zu der "Besten aller möglichen Philosophien"...

Puhhh...

Wieder mal sehr tief gegraben. Bin gespannt auf Eure Feedbacks. Und mache erst mal Feierabend. Höre mir Leonard Bernsteins ,,Candide" an, der auf Voltaires satirischem Roman basiert.

Sehr schön.

Auch und gerade der Song am Ende,  wo es heißt: 

Let dreamers dream what dreams they please.
Those Edens can't be found.
The sweetest flowers, the finest trees
Are grown in solid ground.
We're neither pure, nor wise, nor good,
We'll do the best we know.
We'll build our house and chop our wood
And make our garden grow.

Lasst Träumer doch träumen, was ihnen gefällt.
Solche Paradiesgärten (Edens) sind nicht zu finden.
Die süßesten Blumen, die schönsten Bäume
Wachsen auf solidem, festem Boden.
Wir sind nicht rein, noch weise noch gut.
Wir tun das Beste,  was wir wissen.
Bauen unsere Häuser und hacken unser Holz
Und machen, dass unser Garten wächst.

In diesem Sinne einen schönen Abend und viel Erfolg bei den Aufgaben der nächsten Tage.  :up:

Bis demnächst:

Euer pelzer Wolf...

:winke:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Margaretnerin am 29.11.2015 23:19
https://youtu.be/nlVD-jrq_Yk

Danke für diesen wunderbaren Text!!!!
Und weil mich der Auszug aus Bernsteins "candide" neugierig gemacht hat, hab ich gegoogelt. :-*
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: KleineWeisheit am 01.12.2015 09:47
Vielen Dank für die tolle Zusammenfassung!

"Candide" liegt seit längerem auf meinem "Bücher-die-ich-noch-lesen-möchte-Stapel". Ich sollte das echt mal angehen ;-)
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 01.12.2015 09:49
 :servant:

:up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 12.12.2015 16:41
Hallo miteinander! Bereit für ein neues Kapitel in der Philosophiegeschichte?

Allerdings etwas anders, als vielleicht erwartet.

Denn bevor ich mich – wie versprochen - Kant zuwende, folgt hier noch ein Beitrag aus aktuellen Anlässen.

Der eine sind qd Fragen, auf die ich in diesen Tagen gestoßen bin.   Den anderen – kriegen wir etwas später...

Die erste Frage ist die: Welcher Bewegung hat die Aufklärung Vorschub geleistet? Die Anwort lautet: Dem Atheismus, also dem prinzipiellen "Nein" zur Existenz eines oder gar mehrerer "höherer Wesen".

Dabei waren ,,echte" Atheisten im 18. Jahrhundert eher selten. Weit häufiger kam es zur Kritik an der Religion. Konkret. An den klassischen monotheistischen Offenbarungsreligionen (Judentum, Christentum, Islam) und den Institutionen, die sie den Gläubigen vermittelten. 

Ein wichtiger Kritikpunkt war dabei die Behauptung, dass sie besondere Quellen (,,Heilige Schriften") besäßen, die eben deshalb besondere Glaubwürdigkeit verdienten.  :reader:

Dies wäre aber erst zu beweisen gewesen. 

Es blieb aber bei diesem Anspruch, der zudem mit Gewaltmitteln geltend gemacht wurde.
,,Willst du nicht mein Bruder sein..."  :bang:

Als qd-relevantes Beispiel mag hier die ,,Inquisition"  gelten (das  kirchenamtliche Ermittlungsverfahren durch die  Dominikaner  – genau). 
Oder die islamische Fatwa. Was ja eigentlich ,,nur" Rechtgutachten bedeutet. Allerdings  auch ein solches, durch das Kritiker und Gotteslästerer mit dem Tode bedroht wurden.  Wie das im Fall Salman Rushdies und seiner Satanischen Verse geschehen ist...

Ein Thema, das also bis heute aktuell ist und bleibt.

Denken wir an das Auftreten von fundamentalistischen Strömungen, die als einzige Formen der Auseinandersetzung mit der Außenwelt die Indoktrination oder die gewaltsame Bekehrung der ,,Ungläubigen" beherrschen...  Und im Umgang mit ihresgleichen – richtig - die ,,Alienation" – die Abschottung und Verteufelung alles dessen, was dem wahren Gläubige fremd und damit verworfen erschien...  >:(

Die Frage, die nach Aufklärung verlangt, ist also die: Wie zeigt sich der Wahrheitsgehalt einer Religion?

Oder: Wie läßt er sich – wenn überhaupt - beweisen?

:think:

Eine zukunftsweisende Antwort gibt der Schriftsteller Gotthold Ephraim Lessing. Der nicht nur philosophisch tätig ist, sondern seine Einsichten auch in Dramen verarbeitet und populär gemacht hat. Etwa in Emilia Galotti, Minna von Barnhelm und vor allem in seinem Nathan der Weise, mit dem er zugleich einem jüdischen Mitstreiter, Moses Mendelssohn, ein Denkmal gesetzt hat.

Gerade Nathan verdient hier besondere Beachtung. Dieser  ist ein ebenso reicher wie integrer  Jude in der Zeit der Kreuzzüge, der sich gegen einen Sultan in Finanznöten ebenso behaupten muss, wie gegen einen fanatischen Großinquisitor, der nur eines im Sinn hat: Diesen Juden auf den Scheiterhaufen zu bringen...  >:D

Mit der gefährlichen Fangfrage konfrontiert,  welche der drei Offenbarungsreligionen nun die Wahre ist, erzählt er die berühmte Geschichte vom Ring.
Ein Vater besitzt einen Ring, der nicht nur außergewöhnlich schön ist, sondern eine ganz besondere Ausstrahlung hat. Denn der Träger erscheint  in den Augen anderer Menschen angenehm. 
Der Vater hat diesen Ring von seinem Vater bekommen. Und es ist Tradition, dass er ihn – wenn seine Stunde gekommen ist – an seinen Lieblingssohn weitergibt. Nur - er hat drei Söhne und alle drei sind ihm gleich lieb.
Schließlich findet er eine ungewöhnliche Lösung: Er lässt zwei äußerlich absolut identische Ringe erstellen, so dass nach seinem Tod alle drei Brüder einen Ring vorweisen können. 
Jeder ist überzeugt, der Auserwählte zu sein und den richtigen Ring zu tragen. Doch wer hat Recht? So entsteht ein Streit, der die Drei schließlich zu einem klugen Richter führt.
Und der erinnert an die Geschichte des Ringes. Und gibt zu bedenken.
So unangenehm,  wie die Brüder sich aufführen,  kann keiner im Besitz des echten Stücks sein.
Denn wenn dem so wäre, würde man es doch spüren.  So aber ist auch denkbar, dass der echte Ring längst verloren gegangen ist. 
Der Gegenbeweis wäre erst zu erbringen - ganz praktisch, in wahrhaft brüderlichen Verhalten...  :hug:

Da hakt es aber gewaltig. Im Drama ebenso wie im richtigen Leben: Im Konflikt der drei so ähnlichen Religionen der Juden, Christen und Moslems.

Fazit: Mit dem bloßen Besitzanspruch ist nichts bewiesen. Eher im Gegenteil: Der Wahrheitsgehalt einer Religion zeigt sich in der A r t wie jemand diese auslebt.
Also in der positiven Ausstrahlung des Gläubigen... . 
Wenn es einen Beweis gibt, dann liegt der – wie Lessing sagt - im (richtigen)  Geist und in der Kraft (des gelebten Glaubens).
Manchem wird da auch der eine oder andere Spruch einfallen.  Es gibt nichts Gutes,  außer man tut es.
Oder: An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen...

Soweit die Botschaft dieses Dramas. Das bis heute immer wieder inszeniert wurde und wird. Anfang der 1990er Jahre auch so, dass ein ziemlicher hilfloser  Nathan die Geschichte erzählt – und bei einer  bornierten bzw. fanatischen  Umgebung auf taube Ohren stößt.
Das war schon prophetisch.
Denn wer hätte damals dran gedacht, dass das neue Jahrtausend eine neue Phase der Intoleranz und der religiös motivierten Kriege bringen würde. Wo Aufklärer wieder einen ziemlichen schweren Stand haben...  >:( 

Puuuh. Wieder ziemlich tief gegraben.  Bin gespannt auf Eure Feedbacks. 
Muss nicht in diesem Board sein.
Am besten im richtigen Leben.

Wünsche Euch viele gute Gedanken und ganz viel Kraft,  wenn die Zeiten richtig dunkel werden.  :up:

Bis bald.

Euer pelzer Wolf!  :winke:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: KleineWeisheit am 14.12.2015 09:44

Wow. Ich bin be-geist-ert! Jetzt werde ich mal losgehen und versuchen, zu beweisen, dass ich den richtigen Ring trage.

:-*
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Not Defined am 14.12.2015 09:58
Ich fühle mich gerade in dunkelste Mittelalterstufen-Zeiten zurückgeworfen... :motz:

Kommt jetzt auch noch was über Mutter Courage, oder war die schon... :-\

Für den Beitrag:  :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 14.12.2015 13:16
Zitat von: FAQ 5.0 am 14.12.2015 09:58
Ich fühle mich gerade in dunkelste Mittelalterstufen-Zeiten zurückgeworfen... :motz:

Kommt jetzt auch noch was über Mutter Courage, oder war die schon... :-\

Für den Beitrag:  :up:

Danke für das Feedback. Denke auch manchmal an die Schulzeit zurück, und an gewisse Lehrer, die auch die interessantesten Themen zu laaangweiligem Lernstoff umfunktionierten, den wir schnell lernten und genauso schnell wieder vergaßen...  Nur so kann ich mir all die blinden Flecken erklären, gerade im Bereich der Naturwissenschaften. Zum Glück war das bei den Geisteswissenschaften etwas anders. Und davon zehre ich heute noch - in jeder Hinsicht.

Mutter Courage ist natürlich auch interessant. "Der Krieg ernährt den Krieg!" so hat sie es oft gehört und verinnerlicht. Und verschließt sich bis zuletzt - als sie ihre drei Kinder verloren hat - der Einsicht, dass er der große Menschenfresser ist. Dass es eine große Schere braucht, um da doch einen Schnitt zu machen...

Müssen (junge) Leute von heute das auch erst auf die harte Tour lernen?

Ein spannender Stoff ist auch Brechts "Hofmeister", der eigentlich eine Bearbeitung (oder gar ein Plagiat) eines "Sturm und Drang" Stückes von Jakob Michael Reinhold Lenz ist.

Eine Szene ist mir noch  Erinnerung, als Studenten in ihrer Bude sitzen und einer sich reichlich philiströs Kants "Ewigen Frieden" vornimmt.

"Repetier's! Kant ist ein Dummkopf!"

Das wäre doch genauer zu überprüfen.

Bis demnächst!

Euer Pelzer Wolf!
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 17.12.2015 14:47
Heute sind wir also dran. Immanuel Kant. Schwere Kost - auch weil der Königsberger einen Schreibstil pflegt, der den geneigten Leser auf harte Proben stellt. Aber da muss mensch "durch", denn Kant ist ein Philosoph von universaler Bedeutung, der die Neuzeit entscheidend geprägt hat.

Was im folgenden zu beweisen - oder wenigsten anzudeuten wäre.

In Sam Peckinpahs Antikriegsfilm "Steiner oder das Eiserne Kreuz" gibt es eine unvergessliche Szene. An die Kubanfront kommt aus der Pariser Etappe - geschniegelt und gebügelt - der elitäre Hauptmann Stransky, dem zu seinem Soldatenglück nur das Eiserne Kreuz fehlt. Dazu soll ihm der erfahrene Feldwebel Steiner verhelfen, der das Gegenüber sofort durchschaut.
Zum Thema Elite bemerkt er, dass Kant der Sohn eines Sattlers war. Was den eitlen Offizier schwer irritiert, den schließlich geht es ihm doch - wie vielen anderen seiner Schicht - um die großen Zusammenhänge.

Hätten die Herren man ihren Kant gelesen und besser noch verstanden. Etwa seine Schrift "Zum ewigen Frieden". Hinter diesem schönen Titel  verbirgt sich  nicht etwa eine weltfremde Utopie, sondern eine Absage an Despotismus und Kriegstreiberei, die in einem Kabinett (oder im Führerhauptquartier) anfängt und im Elend der Soldaten und der Bevölkerung endet.

Dem hält Kant Gedanken entgegen, die Eingang in das moderne Völkerrecht gefunden haben. Denn auch in der Politik hat der Mensch die Pflicht, sich seines Verstandes zu bedienen, vernünftige Entscheidungen zu treffen und für Gerechtigkeit im Rahmen eines allgemeingültigen Rechtssystems zu sorgen.

"Das Recht der Menschen muss heilig gehalten werden, der herrschenden Gewalt mag es auch noch so große Aufopferung kosten."

Deutliche Worte an die Adresse der gekrönten Häupter (damals die einzig wahren "Souveräne"), für die Staaten und Völker nur Besitz und vielfach auch nur Verfügungsmasse waren.
(Ich saach mal Polen,  Lothringen oder beinahe auch unser schönes Bayernland)...

Das große Ziel verantwortlicher Politik dagegen ist die Schaffung und der Erhalt des Friedens durch allgemeingültige, völkerrechtliche Verträge.
Wobei echter Friede mehr ist als die Abwesenheit von Krieg oder die Atempause vor dem nächsten großen Kräftemessen.
Und Verträge mehr sind als Zweckbündnisse, die nach Bedarf gekündigt oder gebrochen werden können.

Wichtig ist für Kant auch der Gedanke der staatlichen Souveränität und das daraus resultierende Prinzip der Nichteinmischung. Mögen die Motive auch gut sein - der Schaden,  der durch eine solche Intervention entsteht,  wird weit größer sein als der Nutzen.

Das sind fast schon prophetische Worte, denken wir an die jüngsten Ereignisse in Afghanistan oder im Irak.

Atem und Denkpause...

Ein Beispiel wahrhaft katastrophaler Politik wäre demnach der Hitler Stalin Pakt von 1939, durch den Hitler seinen Krieg gegen Polen und die mit ihm verbündeten Westmächte erst führen konnte. Ein Vertrag der Stalin sehr ins geopolitische Konzept passte, weil er in der Folge die Kontrolle über weite Teile Osteuropas bekam.

Und das Negativbeispiel überhaupt war sicher die Geheimklausel, mit der die Aufteilung Polens vorbereitet wurde.

Ganz zu schweigen von dem Einmarsch der Wehrmacht in die Sowjetunion zwei Jahre später,  ohne dass das Bündnis gekündigt oder zumindest der Krieg erklärt worden wäre. 

Aber wie hätte der elitäre Hauptmann Stransky gesagt. Es geht ja um die großen Zusammenhänge. Und denen ist alles andere unterzuordnen...  Was zählen da die Gedanken, Sorgen, Hoffnungen und Erfahrungen der "kleinen Leute"...

Moment. Ich höre da was? Merkwürdig. Wird doch nicht der Sattlersohn sein , der in seinem Grab rotiert?

Fortsetzung folgt...

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 05.01.2016 18:41
Wie angekündigt folgt hier ein zweiter Teil zur Philosophie Kants. Wobei ich wieder "typische" qd Fragen zugrunde legen möchte. 

Die erste  Frage bezieht sich auf die großen Schriftsteller, die in Weimar ihre Heimat hatten. Die Antwort lautet: Goethe, Schiller und Herder. Kant gehört nicht dazu. Klar. Wobei seine Werke natürlich auch hier aufmerksam gelesen wurden.  :coffee:

Schiller war von Kants Philosophie sehr angetan,  betont aber - wie bei einem  Dichter zu erwarten ist - neben der Bedeutung der Vernunft auch Elemente wie Ästhetik ("Wahrnehmung und Wertschätzung des Schönen") und Sinnlichkeit.

Vor allem mit Kants strengem Pflichtbegriff hat er gewisse Probleme.  :-\

So schreibt er das folgende pointierte (Spott-)Gedicht:

"Gern dient' ich den Freunden,
doch tu ich's leider mit N e i g u n g.
Und es wurmt mich oft,
dass ich nicht tugendhaft bin."

Und verweist damit auf ein Problem menschlichen Handelns. Klar: Pflichten zu erfüllen ist nicht (immer) angenehm. Eher im Gegenteil. Immer wieder  gilt es da, den inneren Schweinehund zu überwinden.
Aber Neigungen sind auch nichts per se schlechtes. Sie gehören zum Menschsein dazu.
Eine Mensch wird nicht  besonders moralisch, wenn er immer nur seine Pflicht  tut und dabei elementare menschliche Wesenzüge verleugnet. 

Sympathisch schon gar nicht.  >:D

Am Besten ist es sicher, wenn wir tun,  was not-wendig ist - und tun es gerne!  :up:

Allerdings ist Kant Recht zu geben, wenn er in seinem kategorischen Imperativ vor Individualismus und Egoismus warnt.  :bang:

Ich zitiere Kant, auch wenn die Worte ziemlich sperrig sind: ,,Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde."  :reader:

Eine aktuelle Botschaft. Denn auch in unserer modernen Welt gibt es viele "allgemeine Gesetze", wo irgendwann irgendwer den Anfang gemacht hat. Gesetze, die letztlich dem Egoismus Vorschub leisten oder dazu ermutigen. Und somit dem Miteinander schaden.  >:(

Ich sage mal: "Unterm Strich zähl ich!",  "Geiz ist geil" oder "Kleidung clever kaufen..."  Und bitte Euch die Liste in Gedanken zu ergänzen...

Denk- und Atempause...  :think:

Kommen wir zur zweiten qd Frage. Was wir glauben sollen - das war für Kant kein Thema. Auch wenn er sich durchaus mit dem Glauben und der Religion befasst hat.

Aber eben - wie er es in einem Hauptwerk schreibt - "innerhalb der Grenzen der reinen Vernunft".

Und mit interessanten Ergebnissen.

Denn es ist nicht ausgemacht, dass ein Mensch, der moralisch handelt, zuletzt auf eine positive Lebensbilanz zurückblickt. (Wie immer die aussehen mag.)

Es kann durchaus passieren, dass er scheitert.  :'(

Andererseits kann ein Mensch sein Leben lang dem Egoismus frönen und kommt damit durch. Schlimmstenfalls steht er sogar besser dar, als der Moralist. (Moment - warum hab ich jetzt die Prinzen im Ohr? Ach, ja: Du mußt ein Schwein sein in dieser Welt...)  :-\

Womit sich die Frage ergibt: "Warum soll ich dann moralisch handeln?"

Große Verlegenheit. Oder mit Kant gesprochen. Eine "Aporie".  :o

An dieser Stelle wird die Sache mit Gott interessant. Es braucht, damit Kants System funktioniert, ein "Höchstes Wesen". Es braucht eine letzte, übergeordnete,  moralische Instanz, die dafür sorgt dass Moral überhaupt Sinn macht.  Ok: Vielleicht  nicht  in dieser Welt - aber...  O:-)

Das ist Kants Gott. Keine Person. Eine moralische Notwendigkeit. Ein "Postulat". Für meinen Geschmack etwas trocken. Kantig eben. Aber nachdenkenswert.

Wobei die Philosophie mit Kant ja noch lange nicht am Ende ist...  Zum Glück nicht...  :))

So halte ich es auch eher mit dem Ästheten Schiller.

Ich sage mal "Ode an die Freude!"  :sekt:

Und natürlich mit Beethoven, der in der Vorbereitung seiner 9. Sinfonie die schönen Worte schreibt:

,Das moralische Gesetz in uns u n d  der gestirnte Himmel über uns.' Kant!!!

Puh. Das wär's gewesen. Zumindest für heute.

Bin gespannt auf Eure Feedbacks.

Aller...  :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 06.01.2016 11:53
 :servant:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 06.01.2016 15:02
Danke für die netten Feedbacks. Auch per PN! Die ich zum Anlass nehme, noch ein paar letzte Bemerkungen zu Kant nachzuschieben.

Mir persönlich hat gerade da ein Buch sehr geholfen, das ich allen empfehlen möchte, dich sich in der Pflicht sehen, sich mit Philosophie zu informieren. Aber keine Neigung verspüren, sich durch ellenlange Wälzer durchzuarbeiten.

Lest Wilhelm Weischedels "Philosophische Hintertreppe".  :paper:

Der Ansatz ist genial. Die Hintertreppe erlaubt nämlich einen unkonventionellen und dazu amüsanten Zugang zu den großen Denkern. Man hat die Möglichkeit sie auch ganz privat zu erleben - zu erkennen,  wie Leben und Werk sich beeinflussen und ergänzen. Oder gerade nicht. 

Bei Kant wird der Gegensatz zwischen Pflicht und Neigung besonders deutlich. Kaum vorstellbar, dass dieser Philosoph mit seinem präzise durchgetakteten Tagesablauf eigentlich eher einem gemütlichen Leben zugetan war.
Dazu gehörte ein warmes Bett genauso wie die Tasse Kaffee.  :coffee:

Und die Notwendigkeit, einen Diener - den einfach gestrickten,  aber treuen Lampe - zu beschäftigen.

Von dem er sich nur schwer verabschieden konnte.

Weshalb er für sich persönlich den Imperativ formulierte.

"Lampe muss vergessen werden!" :reader:

Seltsam? Aber so steht es geschrieben. Bzw. ist es verbürgt.

Und das macht auch diesen so strengen Philosophen ein gutes Stück menschlicher. Nicht wahr?  :))

Moooment. Ist es wirklich schon 15.00h? Dann sage mich mal ganz kategorisch: Kaffee!!!

Und weiß mich mit diesem Imperativ im Einklang mit meinen innersten Neigungen. Und vielleicht juckt es mich dann ja in den Fingern, noch etwas weiterzuschreiben...

Ich saach mal Herder.

Und: Have fun.  :up:

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 09.01.2016 15:24
Wo sind wir denn heute dran? Genau. Johann Gottfried Herders Kritik an Kant.  :reader:

Die den markanten Titel trägt: "Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft."

Was doch - salopp gesagt - etwas abgedreht klingt. Um nicht zu sagen: Überkantitelt...

So stellt sich die Frage:  Will da jemand den Königsberger auf die Schippe nehmen?

Oder ihm wegen seines schwierigen Schreibstils den Spiegel vorhalten?  :-\

Eher letzteres. Herder ist Philosoph, Dichter, evangelischer Theologe und d e r  Wegbereiter der modernen Sprachwissenschaft. Und übt als solcher Kritik an Dogmatikern und abgehobenen Denkern jeder Couleur. Auch in der Philosophie.
Deshalb wagt er auch eine Auseinandersetzung mit Kant, die aber nicht sehr gut ankam.

Herders Kritik ist dabei sehr einleuchtend. Die menschliche Vernunft ist nicht von vorneherein da. (OT Kant: "a priori"). Sie muss durch Erfahrungen erworben und geschult werden.

Wobei in Sachen wahrer Erkenntnis neben der Vernunft auch die (klare) Sprache wichtig ist.

Das saß! Volle Breitseite, die allerdings an Kant abprallte. Die Kantianer sagten sich: "Was will dieser Herder?"

Oder: "Wer - bitteschön - ist Herder?"

Und es dauerte lange, bis seine Kritik verstanden und diskutiert wurde. 

Das ganze erinnert mich etwas an eine Prüfung, in der ein Professor den KandidatInnen mit seiner abgehobenen Art ziemlich zu schaffen machte.

Ein ebenso mutiger wie praktisch veranlagter Freund hat da ein Tabu gebrochen und ihn aufgefordert: "Redde sie mol Deutsch!"

Womit die Prüfung natürlich gelaufen war.

Aber das war ihm die Sache wert. Zumal das Grinsen der Beisitzer Bände sprach...  :)) :)) :))

In diesem Sinne...

Sapere Aude (lateinisch): Wage es, Dich Deines Verstandes zu bedienen! Und der Sprache dazu.

Gerade im Umgang mit (vermeintlichen) Experten...  :up:

Aller!  :winke:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: KleineWeisheit am 12.01.2016 13:22
Vielen lieben Dank!  :-*
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 01.02.2016 13:57
Hallo miteinander!

Wo sind wir den heute dran?

Gute Frage. 

Bislang waren meine Beiträge ja chronologisch. Und damit wäre das 19. Jahrhundert dran.

Aber keine Regel ohne Ausnahme.

Zumal wenn eine interessante Frage auftaucht, die qd- und alltagstauglich gleichermaßen ist.

Denn heute geht es eurem Wolf um den Leviathan. Was ist der Leviathan? Ein Wesen aus der Mythologie des Zweistromlandes, das auch Eingang  in das Alte Testament gefunden hat. Ein furchterregender Drache, dem kein Mensch widerstehen kann und dessen Macht nur Gott Grenzen setzen kann.

In Babylon der Reichsgott Marduk, Sohn des Ea. In der Bibel eben - ihr wißt schon...

Das klingt noch nicht sehr philosophisch. Aber der englische Staatsphilosoph Thomas Hobbes (1588–1679) hat sich an dieser alten Geschichte bedient,  um einen Staatsentwurf zu schreiben, der es in sich hat.

Hobbes lebt in der Zeit des dreißigjährigen Krieges bzw. des parallel stattfindenden englischen Bürgerkrieges. Das bestimmt sein Welt- und Menschenbild, das zutiefst pessimistisch ist.

Seine Message: Der Mensch ist nicht gut und war es nie, auch zu Zeiten Adams und Evas nicht.

Er ist kein Gemeinschaftswesen, sondern angetrieben von Verlangen, Furcht und - na gut - manchmal auch von Vernunft. Aber auch die bringt ihn auch nur dazu zu tun, was in seinem Interesse ist.

So ist und bleibt der Mensch des Menschen Wolf. Es herrscht permanenter Krieg aller gegen alle.

Der aber doch allen schadet...

Eine Misere, aus der es nur einen Ausweg gibt.

Menschen m ü s s e n notwendigerweise zusammenfinden und gemeinsam einen Staat mit Gesetzen und Zwangsmitteln zur Durchsetzung derselben bilden.

Nur dann können sie den chaotischen Naturzustand überwinden.

Dabei genügt es nicht, dass die staatliche Ordnung vernünftig ist. Es braucht eine Macht, die die Menschen das Fürchten lehrt und sie bei Strafe  zum richtigen Verhalten zwingt.

Klingt nicht sehr erbaulich. Aber die Natur läßt keine Alternative zu. So unterwerfen sich die Menschen in einem unwiderruflichen Entschluß (Staatvertrag) ihrem "Leviathan", einem Machthaber aus ihrer Mitte, der damit zu einer quasi allmächtigen Instanz wird.

Womit Hobbes den absolutistischen Fürsten seine Zeit rechtfertigt.

Und doch von allen Seiten Beschuß bekommt.

Denn den Fürsten wird von Hobbes mit seiner pragmatischen Idee ihr Gottesgnadentum genommen. Fromme Naturen und Kichenleute sehen ihn aufgrund seines Welt - und Menschenbilders als Häretiker, als gefährlichen Irrlehrer.
Und fortschrittlichere Geister sehen in ihm einen Reaktionär, denn wenn schon ein Gesellschaftvertrag, dann bitte auf Gegenseitigkeit und mit dem (Bürger)Recht, einen Herrscher für Untaten zur Rechenschaft zu ziehen und ggf. abzusetzen.
Diesen Gedanken formuliert dann auch Hobbes Konkurrent John Locke und liefert damit das Gedankengerüst bzw. die Blaupause für den modernen Inselstaat ("Glorious Revolution").

Oder Jean Jaques Rousseau, der mit seinen Gedanken die französischen Revolution vorbereitete.

Die hat übrigens Frankreich zumindest zeitweise in Chaos gestützt, bis ein starker Mann - Napoleon - die Zügel in die Hand nahm.

Hmmm...  :-\

Braucht es also doch einen "Leviathan" um Schlimmeres zu verhüten? Zumindest zeitweise? Hat Hobbes mit Blick auf viel chaotisches und destruktives  Miteinander vielleicht doch recht? 

Oder schaffen wir es doch, unser Miteinander allen Widerständen und Herausforderungen zum Trotz freiheitlich zu organisieren?

Beispiele gibt es genug. Hier wie dort. Die Zukunft wird es zeigen...

In diesem Sinne... :up:

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Not Defined am 02.02.2016 02:32
Toller Beitrag, again... :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Rosi1909 am 03.02.2016 17:11
Super gut geschrieben :up: :up: :up:

Es macht Spass deine Beiträge zu lesen und es bleibt auch definitiv etwas davon hängen. ;)

Danke dafür ;)
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 03.02.2016 19:23
Danke vielmals für Eure Feedbacks.

:servant:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 11.02.2016 19:41
Grüß Gott Ihr Leut(le)!  :winke:

Mit diesem Gruß möchte ich meinen heutigen Beitrag beginnen. Und zunächst einmal den Blick auf unser schönes(Schwabe)ländle lenken, dessen Bewohner - ich saach mal - einen gewissen Ruf weghaben.

So stehen sie ja gemeinhin fürs "Schaffe und's Häuslebaue" und einen sehr speziellen Frömmigkeitstyp, der ihnen in Insiderkreisen den Spitznamen "Piet Kong", die Untergrundkämpfer Gottes eingetragen hat.

Aber vergessen wir diese Klischees. Denn Schwaben ist auch die Heimat vieler Dichter und Denker, denen Deutschland unendlich viel verdankt. 

:servant:

Etwa Georg Wilhelm  Friedrich Hegel, der die neuere Philosophiegeschichte entscheidend geprägt hat und zumindestens mittelbar - über gewisse Schüler - Weltgeschichte geschrieben hat.

Was kennzeichnet nun seine Philosophie?

Hegel ist berühmt für seine Methode der Dialektik.

Wonach unsere Wirklichkeit von Gegensätzen bestimmt ist.

Eine These provoziert eine Antithese. Wobei - da wird es interessant - am Ende eine Synthese steht, in der beide auf höherer Stufe versöhnt bzw. "aufgehoben" sind.

Da klingt jetzt sehr abstrakt. Wird aber ganz gut deutlich in Hegels Biographie.
Wie er aus einer sehr frommen Schule kommend (These)
zur Philosophie findet (Antithese)
um beides dann zu einem umfassenden Gedankengebäude zu verbinden, in der alles seinen festen Platz hat.

Dafür sorgt eine "Weltseele" bzw. ein "Weltgeist", der in der Weltgeschichte am Werk ist und sich auf immer höheren Bewußtseinsstufen manifestiert. Puuuh... 

:think:

Immer noch sehr abstrakt. Dann denkt am besten an Napoleon, der in seinem Kaisertum den Gegensatz von Revolution und Monarchie aufhebt.

Weshalb ihn Hegel auch als "Weltgeist zu Pferde" bezeichnet.

Wer viel Zeit mitbringt, dem sei Hegels "Phänomenologie des Geistes" empfohlen. Schwerer Stoff, der aber zum unverzichtbaren Rüstzeug  der damaligen Studierenden gehörte.

Und der staatstragenden Schichten dazu.Denn als Hegel an die Berliner Universität berufen wird, da pilgern auch Offiziere und Staatsbeamte in Scharen zu ihm und machen ihn zu d e m Denker des modernen Preußentums.

Während er von anderer Seite massive Flak bekommt.

Denn kritische Geister, die wir heute "links" verorten,  sehen ihn ihm einen Fürstenknecht, der rückwärtsgewandtes Denken und Zensur rechtfertigt und systematisch einen neuen, braven Staatsbürger (den fiktiven aber gleichwohl realen "Biedermeier") heranzüchten möchte .

Die Kritik entzündet sich dabei an Sätzen wie dem Folgenden.

"Was vernünftig ist, das ist wirklich, und was wirklich ist, das ist vernünftig."

Und das ist ein Satz,  mit dem sich vordergründig jeder Unsinn erklären und rechtfertigen lässt.

Richtiger müsste es heißen;
Was vernünftig ist, das w i r d wirklich, und was wirklich ist, das w i r d  vernünftig.

Eben in einer weltgeschichtlichen Perspektive, in der alles auf ein großes Ziel hinausläuft.

Dem philosophischen Gegenstück zum "Reich Gottes", in dem ja auch alle Fragen ihre Klärung finden.

Aber das ist das Problem jeder  Philosophie, dass sie Gefahr läuft, die Wirklichkeit nur durch ihre eigene Brille zu sehen.

Und damit zur Ideologie wird.  :opa:

Weshalb sich der prominenteste Hegelschüler Karl Marx  mit Unterstützung eines gut betuchten Wuppertaler Fabrikantensohnes -  Friedrich Engels mit Namen - zu Wort meldet.

Und in deutlicher Kritik an seinem Lehrer schreibt.

"Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt (!) darauf an, sie zu verändern."

Und das nimmt er für sich in Anspruch. Indem er den großen Meister vom Kopf auf die Füße stellt.
Nein! Sagt er. Vergesst diesen ominösen Weltgeist.
Der Schlüssel zum Verständnis der Weltgeschichte ist die Kenntnis wirtschaftlicher Zusammenhänge.
Wie ökonomische Prozesse ablaufen und auf welches Ziel hin. 

Damit kommt Marx zu seinem zentralen Thema:

Der ewige (Klassen)kampf zwischen Besitzenden und Besitzlosen, der mit härtesten Bandagen geführt wird und letztlich dazu führt, dass sich das Kapital (so der Name von Marx Hauptwerk)
zuletzt nur noch in den Händen einiger weniger Großen befindet.

Die dann in einer finalen Weltrevolution gestürzt werden, auf die - ganz klar - eine neue Weltordnung folgt.

Die berühmte klassenlose Gesellschaft. Das Gegenstück zu - na, ja  ihr wisst schon!  :reader:

Mit dieser Vision im Gewand materialistischer Wissenschaft gerät aber auch Marx wieder unter den Verdacht, sich seine Ideologie zurechtzuzimmern - nur diesmal eben von "unten" bzw. von "links" .  >:(

Und im dialektischen Materialismus haben die weltanschaulich geschulten Marxisten - die Kader, die Nomenklatura oder einfach die "Bonzen" - ein herrliches Instrument gefunden,  ihre Welt zu erklären und Widerspruch gegen den real existierenden Sozialismus  "niederzubügeln".  :baseball:

Eine persönliche Anmerkung: Wenn ich mir das Portrait Karl Marx' ansehe, dann kommt mir Mose in den Sinn.
Wie dieser hat er etwas von einem strengen Patriarchen, der den Seinen klare Anweisungen und Ziele gibt, die besser zu befolgen sind.

Ich saach mal:  Auch der Marxismus mit seiner Religionskritik hat seine Methoden gefunden mit Abweichlern bzw. "Irrlehrern" (Häretikern) umzugehen.

Eine solche "Irrlehre"  ist der Anarchismus eines Michail Bakunin oder eines Pierre Proudhon.

Der zu Unrecht mit Chaos gleichgesetzt wird.

Anarchismus aber ist ein kritisches, subversives Element, das unverzichtbar ist, wo Regeln absolut gesetzt werden und ein freies Miteinander erschweren oder unmöglich machen.  :bang:

Aber das ist eine andere Geschichte!

Oder doch nicht? :-\

Fortsetzung folgt...
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: KleineWeisheit am 13.02.2016 16:06
 :-*
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: hpg65 am 13.02.2016 17:53
Der Regentag hier in Patagonien war wunderbar geeignet, die philosophischen Gedanken aufzunehmen! Danke!
Mein Fazit: Ich weiß, daß ich nichts weiß! - Und das schon länger! 😊

Gesendet von meinem SM-T535 mit Tapatalk

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Sisterinheart am 13.02.2016 17:59
Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. (http://www.smilies.4-user.de/include/Girls/smilie_girl_299.gif) (http://www.smilies.4-user.de)

Wie cool ist das denn?  :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Not Defined am 13.02.2016 18:02
Freundschaft✊🏻
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 03.04.2016 13:31
Hallo miteinander.

Hier die versprochene Fortsetzung,  mit der ich diese kleine Einführung in die Philosophie langsam zu Ende bringe.

Die zahlreichen Klicks und PN beweisen: Es war eine spannende Lektüre.

Und qd-relevant dazu.

Auch und gerade dank vieler Anregungen, die ich von Eurer Seite bekommen habe.  :winke:

A propos Anregungen. Zum letzten Beitrag kam recht bald die Rückfrage:

Wie - bitteschön -  kann denn Anarchie funktionieren?

Ist ein anarchistisches Gemeinwesen nicht ein Widerspruch in sich selbst?  :-\

Eine gute Frage. Und ich antworte - zunächst - mit einer Gegenfrage.

Wie funktioniert denn das Gegenstück? Ein "klassisches" Gemeinwesen mit mehr oder weniger hierarchischer Struktur?  :think:

Eine Antwort findet sich bei dem antiken griechischen Philosophen Polybios, einem klugen Kopf, einem Pragmatiker der Macht mit erstaunlich modernen Ansichten. 

Der sagt nämlich: Weil Menschen Staaten bauen, ist nichts statisch. Es gibt Entwicklungen, Bewegungen und - einen Kreislauf der Verfassungen. 

Am Anfang steht ein Monarch. Der seine Arbeit vielleicht ganz anständig erledigt. Aber mit der Zeit doch "abhebt" und zum Tyrannen wird.

Das ruft Gegner auf den Plan. Mächtige Gegner,  die ihn absetzen, sich an den Tisch setzen und  und eine neue Regierung bilden. Eine - Aristokratie,  wörtlich: Eine "Herrschaft der Besten". .

Das funktioniert zunächst ganz gut. Doch dann wird aus dieser Elite eine elitäre Clique, der es auch nur um den Machterhalt und den eigenen Vorteil geht. Aus der Aristokratie wird eine Oligarchie, eine "Herrschaft weniger" zum eigenen Nutzen. (Denkt bei dem Begriff an das Oligopol, das einen Markt mit nur wenigen Anbietern bezeichnet).

Nun wird es unweigerlich zu einem Volksaufstand kommen. Und das Volk wird sich eine demokratische Verfassung geben.

Doch weil auch da viele nur den eigenen Vorteil im Auge haben, wird auf kurz oder lang eine Ochlokratie entstehen. Eine "Herrschaft des Mobs, des Pöbels", bei der es alles drunter und drüber geht.
Mit der logischen Folge, dass der Ruf nach einen starken Mann laut wird. Der dann auch kommt, die Sache in die Hand nimmt und sich zum Alleinherrscher aufschwingt.

Womit der Kreislauf von Neuem beginnt.  :'(

Das Ganze klingt irgendwie logisch und vertraut dazu - nicht wahr?  Ein typisches Beispiel ist die französische Revolution. Oder die jüngere Deutsche Geschichte. (Gut - im Einzelfall wird die Geschichte einen anderen Verlauf nehmen. Aber Polybios hat mit seiner Problemanzeige grundsätzlich recht. Nicht wahr... ?)

Aber das nur nebenbei.

Nun stellt sich die Frage. Welchen Ausweg gibt es aus einem solchen Teufelskreis?  :-\

Die Antwort ist die: Durch eine Mischform zwischen den Verfassungen. Wo demokratische und hierarchische Elemente klug kombiniert werden. Wenn ein System entsteht, in dem die staatsbildenden und - tragenden Elemente sich gegenseitig ergänzen und kontrollieren ("checks and balances" - genau!).   ;)

Das war d i e  Idee der Römer.

Und so sah denn auch ihre Verfassung aus, die dem Gemeinweisen (der res publica - der öffentlichen Sache) Jahrhunderte der relativen Stabilität beschert hat.

Und unsere Geschichte bis heute bestimmt.

Denken wir an Winston Churchill, von dem der grandiose Satz überliefert ist:

"Demokratie ist die Schlechteste aller R e g i e r u n g s f o r m e n - abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind."

Was nahelegt, dass es A n a r c h i e so nicht gegeben hat. Oder wenn, dann nur als Entwurf mehr oder weniger kluger Köpfe. Als Idee, die sich ganz gut anhört aber - in der Praxis nicht funktionieren wird.

Aber - ist das wirklich so?

Kleine Denkpause und - Fortsetzung folgt!  :coffee:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 03.04.2016 13:35
Wer die Weltgeschichte genauer studiert, der erkennt mit Erstaunen.
Es gibt durchaus Völker mit "anarchistischen Strukturen".

Es gab Gemeinwesen, die keine Hierarchien bildeten und doch nicht im Chaos versanken.

Und ja - es gibt sie heute noch...

Vielleicht lest ihr mal den folgenden Artikel in der Wikipedia. Es lohnt sich!

https://de.wikipedia.org/wiki/Segment%C3%A4re_Gesellschaft

:up:

Ein weiteres, zudem qd relevantes Beispiel war das frühe Israel. Ein loser Verbund aus 12 Stämmen -  zusammengehalten durch das gemeinsame Bekenntnis zu dem Gott der Befreiung aus ägyptischer Knechtschaft. (Dies ist - nebenbei bemerkt - die älteste monotheistische Religion, die die Zeiten überdauert hat.)

Und natürlich durch familiäre Beziehungen, in der erfahrene Stammes- und Sippenälteste mit einer natürlichen Autorität für Recht und Ordnung sorgten.

Wo nur im Fall eines äußeren Angriffs sog. "Richter" aktiv wurden, die die Stämme vereinten, anführten und der Gefahr begegneten.

Ähnlich war es auch bei den Völkern Nordamerikas, denn die bekannten Häuptlinge (Sitting Bull, Crazy Horse u.a.)  waren Männer aus dem Volk und wurden im Kriegsfall bestimmt.

Aber kehren wir nach Europa zurück.

Michael Bakunin, der große Theoretiker  des Anarchismus,  war ein scharfer Kritiker jeglicher Hierarchie.

Und zugleich Realist was den real existierenden Menschen betrifft. Denn

,,Man setze den aufrechtesten Revolutionär auf einen Thron, und er wird zum schlimmsten Diktator."

Aber - er war kein prinzipieller Gegner von Autorität.

Er fragte allerdings nach ihrer Legitimation, nach ihrer Berechtigung. Und welchem Zweck sie dient.  :-\

"Autorität ist nur in der Form abzulehnen, in der sie erzwungen ist... Die Autorität, die ich einem Schuhmacher gebe, meine Schuhe zu reparieren, ist nicht mit Herrschaft verbunden, falls ich die Fähigkeit Schuhe zu reparieren nicht habe..."

Das steht natürlich in krassem Widerspruch zu etablierten Herrschaftssystemen in Geschichte und Gegenwart,  in denen Eliten - rechte wie linke - um Ämter und Macht schachern und sich gegen Kritik abschotten. 

Oder - ja - Demokratien, in denen Staatsdiener ihre Ämter nach Proporz und Parteibuch bekommen.

Auch in Ressorts, für die sie in keiner Weise qualifiziert sind in der Hoffnung,  dass die Richtung stimmt und die unterstellten Experten schon alles richtig umsetzen.

Denk- und Atempause.  :think:

Klar ist, dass sich die Anarchisten mit einem solchen Programm zwischen alle Stühle setzten. Dass sie nicht nur Beschuss von rechts bekamen. Sondern über der Autoritätsfrage auch Marx und Bakunin zu Gegnern wurden und ein erbitterter Bruderkrieg begann...

Fakt allerdings ist. Anarchismus ist keine bloße Theorie.  :opa:

Schon gar nicht die spezielle Form des Syndikalismus. Bei der die Arbeiter über die Produktionsmittel verfügen und Werte wie Selbstbestimmung, Selbstorganisation und Solidarität wichtig sind.

Das war zeitweise durchaus ein Erfolgsmodell. Etwa im Spanien der 1920er und frühen 1930er Jahre, wo diese Bewegung Millionen Anhänger hatte. 

Zerschlagen wurde sie dann im Bürgerkrieg (1936 - 1939), der auch ein Bruderkrieg unter Linken war, denn die Kommunisten setzten alles daran,  die unliebsame Konkurrenz auszuschalten.  :bang:

Eine traurige Geschichte, die wirklich diesen Rahmen hier sprengt.

Aber immerhin ist der Syndikalismus Gegenstand einer qd Frage. Also nicht völlig vergessen.

Puuh - da habe ich wirklich sehr tief gegraben. Bin gespannt,  ob es da Feedbacks gibt.

Für's erste alles gute. Hoch die geschwisterliche Solidarität.

Aller!  :winke:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: ManfredSG am 03.04.2016 13:52
Eine kleine Ergänzung.

Zwischen 1917 und 1922 organisierte sich während der Russischen Revolution eine eigenständige autonome Volksbewegung in der Ukraine - die Machnowstschina. Trotz ständiger Angriffe von Seiten der konterrevolutionären Genräle Denikin und Wrangel und trotz des Verrats durch die Bolschewisten gelang es unter der Führung von Nestor Machno eine freie Gemeinschaft in der Ukraine zu etablieren. Ein Gemeinwesen, das ohne Parteien, ohne Ausbeutung und Unterdrückung funktionierte.
Vier Jahre konnte die Bewegung bestehen, bis die Rote Armee unter Trotzki die freien Kommunen und Agrarkollektive niederschlug.

Durchaus lesenswert: Die Geschichte der Machno-Bewegung (http://www.unrast-verlag.de/gesamtprogramm/reihen/klassiker-der-sozialrevolte/die-geschichte-der-machno-bewegung-294-detail).
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 03.04.2016 14:19
Danke für Deine Ergänzung, lieber Manfred.

:servant:

Zum Thema Bruderkrieg noch ein weiteres Beispiel.

Der Kronstädter Matrosenaufstand gegen die Regierung Sowjetrusslands (1921) - von "offizieller Seite" als antisowjetische Meuterei bezeichnet. 

Die Aufständischen hatten sich im Bürgerkrieg bewährt und sahen sich berechtigt, Mißwirtschaft und diktatorische Tendenzen in der KP Russlands (KPR) zu kritisieren.

,,Alle Macht den Sowjets (Räten) – Keine Macht der Partei" war die Losung.

Das Ergebnis war klar. Der Aufstand wurde mit geballter Sowjetmacht niedergeschlagen.
Ein Strafgericht über die Stadt verhängt.
Nur wenigen Aktiven gelang die Flucht nach Finnland.

Die offizielle Geschichtsschreibung erledigte den Rest (s.o.).  Oder gerade nicht.

Das Internet zeigt sich auch hier von seiner anarchistischen Seite und bewahrt so manches vor dem Vergessen und Verdrängt-werden.

Schlagt nach - z.B. in der Wikipedia.  Oder besser noch in der - Anarchopedia (!) :up:

:winke:




Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Can-El am 03.04.2016 15:54
In Bayern samma sowieso für d'Anarchie - oba mit am starken Anarchen!
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 03.04.2016 16:05
Schee gesaa(g)t. Saat de pelzer Wolf. Aus de alde linksrheinische Provinz.

:up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: oma tonni am 04.04.2016 15:04
 :)     sooooooooo schön geschrieben........hab mir alles gemerkt    :cheerlead:


           (und jetzt der Sehtest zum Abschicken)  ......uff.........geklappt
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 04.04.2016 17:28
Zitat von: oma tonni am 04.04.2016 15:04
:)     sooooooooo schön geschrieben........hab mir alles gemerkt    :cheerlead:


           (und jetzt der Sehtest zum Abschicken)  ......uff.........geklappt

Hallo Tonni!

Super! Freue mich! Und Danke für die nette Rückmeldung!  ;)
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Sunshine 121 am 04.04.2016 18:20
Ich hab Deine Beiträge wirklich nur am Rande verfolgt. Und Dir auch schon mal auf Deine Nachfrage geschrieben, für mich sei das eigentlich nix. Aber das hier ist mal richtig schön für mich, die von Philosophie so viel Ahnung hat, wie ein Schwein weit springen kann. Herzlichen Dank!  :winke:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 04.04.2016 18:41
 :servant:

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: sycomore am 04.04.2016 19:02
Auch ein großes Dankeschön von mir  :servant: :servant: :servant:

Deine Beiträge waren ein ausschlaggebender Punkt, warum ich mich vor einigen Wochen doch hier angemeldet habe. Die konnte ich nämlich von "außen" schon lesen und habe es immer mit großer Freude getan.  :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 04.04.2016 21:12
Zitat von: Mara888 am 04.04.2016 19:02
Auch ein großes Dankeschön von mir  :servant: :servant: :servant:

Deine Beiträge waren ein ausschlaggebender Punkt, warum ich mich vor einigen Wochen doch hier angemeldet habe. Die konnte ich nämlich von "außen" schon lesen und habe es immer mit großer Freude getan.  :up:

Vielen Dank für Dein nettes Feedback.  Ich sage nur eines. Fortsetzungen folgen. Um der alten (und neuen) Freunde willen.

Und wenn durch die Quizipedia Gäste zu Mitgliedern werden. Super!

Also weiterhin viel Freude beim Lesen, Chatten und Batteln!

Aller!  :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: sycomore am 04.04.2016 21:41
Aller Hopp?  ;)

Dann bin ich ja froh  :winke:

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 04.04.2016 21:55
Aller von Allez. Französisch-pelzisch für "Auf", "Vorwärts" oder "Weiter".

Universell einsetzbar.

Nicht nur in der Faschingszeit.

Han se halt geere (gern, lieb) unser pelzer Sprooch!  :))

:winke:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: sycomore am 04.04.2016 22:06
ei joo, isch verstäh disch doch, aller hopp!  :))
Wart scho uff die näxschte filoso Fische  ;)
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 04.04.2016 22:09
(Lach). E pelzer Määde. Des is awwer schee. Klar. Do schreib ich glei dobbelt so schnell.
Aller...!

:))

:up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: sycomore am 04.04.2016 22:16
ned gonz, symBadische,  :)    des gebbt sisch awwa nedd viel  :))
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 04.04.2016 22:34
 :))

:up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Dulcinea am 04.04.2016 23:50
Als weidä so badischs unn pelzischs Zeigs gebabbeld, nohd vaschdeens d'Hochdeidschä gaa nemmee!
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 04.04.2016 23:54
Danke für die neuerlichen Feedbacks! Ist glaube ich hohe Zeit für einen Beitrag zur Sprachphilosophie (Ludwig Wittgenstein - genau).

Ist aber nicht so ganz mein Spezialgebiet.

Irgendwelche konstruktiven Beiträge. Vielen Dank schon mal im Voraus...  :))

:up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: oma tonni am 05.04.2016 09:32
 :)   .....ist damit der Solipsismus gemeint......hab mir gleich mal die neueste Literatur dazu bestellt......vielleicht find ich was darüber......   :paper:    L.G. conni


erst mal wieder Sehtest.......uff.....geklappt
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 06.04.2016 17:34
Oha, das ist ein großes Fass. OK - Sprachphilosophie ist die Disziplin der Philosophie, die sich mit Sprache und Bedeutung beschäftigt, vor allem mit dem Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit und dem Verhältnis von Sprache und Bewusstsein.  :-\ 

Dabei geht es zunächst einmal um Sprachanalyse.  Mit Plato und Aristoteles als Pionieren und Wegbereitern.

Dann um Fragestellungen, die das Wesen des Menschen betreffen (schließlich ist sie eine Besonderheit bzw. ein  Alleinstellungsmerkmal unserer Spezies).

Ein anderes Feld ist das der menschlichen Kultur, denn durch Sprache(n) erfolgt ein Zusammentreffen unterschiedlicher Gedankensphären.

Wo es immer wieder "klafft. Und bestenfalls mehr oder minder große Schnittmengen möglich sind.

Umso mehr, da wir alle Individuen sind.

Die durch den Umgang mit anderen Individuen idealerweise ihren Horizont weiten, andere Positionen gelten lassen  und damit zu echten WeltbürgerInnen werden.  :gruknu:

So gesehen ist Kommunikation ein Schlüssel für "Fortschritt" als Fähigkeit, neues anzudenken und umzusetzen.
Indem wir Gedanken und Mitteilungen anderer nicht kritiklos übernehmen (hoffentlich nicht) sondern sie reflektieren und weiterentwickeln.

Ich saach mal Herder und Wilhelm von Humboldt...

Interessant ist auch der Aspekt, dass Sprache nicht nur Mittel der Kommunikation ist, sondern auch der Einflussnahme und der - Machtausübung.  :bang:

Was wiederum in der Kritischen Theorie (etwa bei dem "68er" Jürgen Habermas) zu der Forderung nach einem (möglichst) machtfreien, gesellschaftlichen Wechselgespräch führt. 

Schwieerig, so wie wir Menschen nun mal gepolt sind...

Leute - das ist wirklich ein grosses Fass. :-\

Hält mal jemand die Taschenlampe?

Alleine komm ich dem nicht auf den Grund...  :wine:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Sisterinheart am 06.04.2016 17:45
 ;)
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 06.04.2016 18:04
 :-*
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 11.07.2016 18:41
Hallo miteinander. Bereit für ein weiteres Kapitel Philosophiegeschichte?

Dann lasst uns beginnen!  ;)

Der Schein trügt. An diesem Sprichwort ist etwas dran.

Da ist der erfolgreiche Hollywood Tycoon, der einen Milliardendeal einfädelt, der manchen Fan verzweifeln lässt.  >:D
Und dann spendet der vermeintliche Raffzahn Riesensummen für wohltätige Zwecke.  :-[

Da ist der Lehrer im Ruhestand, der immer noch ordentliche Summen an die Splitterpartei seiner Studienzeit überweist und in seiner Residenz im sonnigen Süden Träumen von Weltrevolution nachhängt.  :sleep:

Da ist - oder war - der junge Student aus gutem Hause, der wie viele andere auf Hegels Spuren wandelt und Philosophie und Theologie studiert.
Ohne dass einer ahnt, welche revolutionären Gedanken er dabei entwickelt und bald auch veröffentlicht.  :o

Womit ich zu Ludwig Feuerbach komme (1804 - 1872).

Bekannt und berüchtigt durch sein Werk über das "Wesen der Religion".

Was hat es damit auf sich?   :-\

Feuerbach setzt an bei dem bekannten  Satz aus der biblischen Schöpfungsgeschichte:

Gott schuf den Menschen zu seinem Bild.

Moment! Sagt Feuerbach.
Ist das so? Oder ist nicht das Gegenteil der Fall?
Dass der Mensch sich Gottesbilder schafft?
Als sterbliches Mangelwesen den Gedanken an einen unsterblichen Allmächtigen entwickelt, der ihm über seine existentiellen Nöte hinweghilft? 

Von der Liebe eines höchsten Wesens spricht, wo es doch eigentlich um die Liebe unter Menschen gehen sollte?  :hug:

Das ist die berühmte Feuerbachsche Projektionstheorie, mit der er die Theologie gewissermaßen in die Anthropologie überführt.

Und so zu einem Wegbereiter der modernen Humanwissenschaften wird.

Fürs erste aber hat er es schwer.

Mit seinen radikalen Ansichten ist ihm eine akademische Karriere verwehrt.

Auch politisch kann er in dem Klima der Restauration und Reaktion nichts "reißen".  :baseball:

Es bleibt ihm ein Dasein als Privatgelehrter und stiller Teilhaber einer Porzellanfabrik.
Als die in Konkurs geht, kann er froh sein, dass Freunde ihn mit Spenden unterstützen.  :(

Erst langsam zeigt sich sein Einfluss. Etwa auf Karl Marx und Friedrich Engels, deren Religionskritik er maßgeblich beeinflusst hat.

Und - Ironie der der Geschichte - auch auf Theologen des 20. Jahrhunderts wie Karl Barth (den Verfasser der berühmten vielbändigen "Kirchlichen Dogmatik" - genau....).

Er sprach von dem "Feuerbach", durch den jeder Theologe seitdem hindurch muss.

Um von der "Rede von Gott"  zu der Erkenntnis zu kommen: Es geht um Gottes Wort.

Um seine Offenbarung, die alle menschlich-allzumenschlichen Vorstellungen über Gott und die Welt infrage stellt und damit Menschen befähigt und ermutigt, für Sprachlose und Benachteiligte das Wort zu ergreifen und Idole von ihren Sockeln zu stoßen.

Wobei interessanterweise diese Religionskritik uralt ist. Sie ist schon bei den Propheten des Alten Testaments zu finden ist, die - mutig, mutig - hinter manch dichte Weihrauchschwade blicken und unheilige Allianzen von Thron und Altar kritisieren.  :priest:

Lest einmal Amos 5.21ff. Jesaja 40.18ff.  Oder Jesaja 44, 14-17...  :paper:

Aber das ist wieder eine andere Geschichte. Ein weites Feld.

Aber eines, wo es erstaunliches zu entdecken gibt...

In diesem Sinne... :up:

:winke:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: oma tonni am 12.07.2016 08:10
....das ist ja mal 'ne Hausaufgabe.....da muss ich doch erst mal nachkucken was ich im Reli gelernt habe wo man die Stellen findet   :-\   ......bis später    :gruknu:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 12.07.2016 11:01
"Je mehr einer weiß, desto mehr Verknüpfungspunkte hat er."

Nochmal Ludwig F.  ;)

:hug:

 
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 07.09.2016 18:42
Hallo und guten Tag. Nein - es ist kein guter Tag. Ich bin schlecht gelaunt. Das kommt vielleicht  auch durch die Beschäftigung mit einem Philosphen, der mir noch nie sehr sympathisch war. Und ich weiß: Ich stehe mit dieser Einschätzung nicht alleine.

Wobei in zusätzliches Problem dadurch entsteht, dass der Mann manchmal auch noch recht hat...

Aber vielleicht könnt Ihr mir helfen. Was fällt Euch dazu ein, wenn ihr die folgenden Zitate lest.

Und vor allem: Welcher Querdenker hat sie geschrieben?  :-\
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 07.09.2016 18:44
Religionen sind wie die Leuchtwürmer: sie bedürfen der Dunkelheit um zu leuchten.
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 07.09.2016 18:44
Es gibt nur einen angeborenen Irrtum, und es ist der, daß wir da sind, um glücklich zu sein.
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 07.09.2016 18:45
Die Haupt- und Grundtriebfeder im Menschen, wie im Tiere, ist der Egoismus, d. h. der Drang zum Dasein und Wohlsein.
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 07.09.2016 18:46
Die Wilden fressen einander, und die Zahmen betrügen einander, und das nennt man den Lauf der Welt.
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 07.09.2016 18:47
Aller Eigensinn beruht darauf, dass der Wille sich an die Stelle der Erkenntnis gedrängt hat.
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 07.09.2016 18:48
Wer nie einen Hund gehabt hat, weiß nicht, was Lieben und Geliebt werden heißt.
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 07.09.2016 18:51
Und noch ein kleiner Zweizeiler zum (vorläufigen) Abschluss...

Gott, — wenn du bist, — errette aus dem Grabe 
Meine Seele, — wenn ich eine habe.

Soweit diese Beiträge - und ein etwas ungewöhnlicher Zugang zu einem der ganz großen Querdenker der Philosophiegeschichte.

Bin gespannt auf Eure Rückmeldungen...

Bess demnähx...  :coffee:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Sisterinheart am 07.09.2016 20:36
 :o

Da muss ich mir erstmal einen Schoppen rein hauen  :wine:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 07.09.2016 21:03
Vielen Dank, liebe Sis, für Deinen hilfreichen Einwurf -  kurz, prägnant und des großen Meisters Arthur Schopenhauer würdig.

Dann warten wir noch auf andere, ergänzende Beitrage und schieben indessen ein QD-taugliches Zitat nach.

"Das Schicksal mischt die Karten, und wir spielen." 

Passt irgendwie zu unserem Forum mit all den Liga- FS- und sonstigen Begegnungen. Nicht wahr?   :-\



Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 08.09.2016 12:08
Oder soll ich weitermachen?

Fragen: Wo sind wir denn dran? Ach ja. Bei Schopenhauer (*1788; † 1860).

Bei seiner "Welt als Wille und Vorstellung."

Was heißt das?

:think:

Da stellen wir uns ganz dumm und sagen.

Am Anfang steht eine Vorstellung, wie die Welt ist.
Zumindest bei Mensch und Tier, die ein Bewusstsein haben. Es ist wohlgemerkt nur eine unvollkommene Vorstellung, so unvollkommen wie unsere sinnliche Wahrnehmung.

Wir sehen die Welt also nicht, wie sie ist, sondern wie wir hoffen, wünschen, befürchten, dass sie ist.
Diese Welteinstellung bestimmt unsere Lebenseinstellung.
Ist Ursache für viel Sorge und Leid. Gibt eigentlich Grund zum Pessimismus, Sarkasmus oder bestenfalls Galgenhumor.

Ich muss da immer an Monty Python denken, die Schopenhauers erkenntnistheoretisches Prinzip auf die Spitze getrieben haben:

Die Welt als Witz und Wahnvorstellung. 

Hier kommt der Wille ins Spiel. Das Leben ist Daseinskampf, blinder Selbstbehauptungswille. Wie so oft bei QD,  gilt auch im richtigen Leben: Jeder Vorteil den wir gewinnen, geht zu Lasten des anderen. Jedes Ziel, das wir erreichen,  wirft den anderen zurück.  Selbst wenn Erfolge Anlass zur Freude geben – es kommt garantiert der Moment, wo uns ein Unglück trifft und uns wieder traurig macht.
Klingt nach Miesem Karma?
Klingt nach dem Credo der östlichen Religionen? Richtig.
Und da hat sich Schopenhauer auch bedient.
Und weist – als eigenständiger Denker - zugleich den Weg in die Moderne: Zur heutigen Verhaltensforschung, zur Psychologie und zur der philosophischen Strömung des Nihilismus.  :-\

Wieder muss ich an ein Monty Python Zitat aus Leben des Brian denken. :

,,Wir kommen aus dem Nichts.  Wir gehen ins Nichts. Was haben wir verloren. Nichts!"   :-\

Interessant ist ein Originalzitat des Philosophen.

Wenn (!) Gott diese Welt erschaffen hat, so möchte ich nicht der Gott sein: ihr Jammer würde mir das Herz zerreißen.  :'(

Da zeigt sich Schopenhauer als der, der er eben doch ist.
Kein Egoist und Zyniker.
Ein teilnahmsvoller Mensch. Der den Weg zu einer innerweltlichen Erlösung zeigt.
Klar: Ich kann mich durchbeißen. Ja sagen zum Willen. Hoffen, dass ich durchkomme und die Welt sich recht lange um mich dreht.
Aber wenn ich ja sage zu diesem Willen, sage ich notwendigerweise Nein zum Willen aller anderen Individuen, die nur noch Feinde sein können – oder Mittel zu Erhaltung meines Daseins (sprich Nahrung).
Und die mir genauso begegnen.   :baseball: :baseball: :baseball:

Der Bringer ist das nicht. Oder? 

So kommt Schopenhauer zu der nur vordergründig überraschenden Option, das Leben eben doch im Miteinander und Füreinander zu wagen.

Zitat: Der Mensch für sich allein vermag gar wenig und ist ein verlassener Robinson: nur in der Gemeinschaft mit den andern ist und vermag er viel.  :gruknu:

Deshalb gilt es, gegen den egoistischen Willen – Quelle aller Unzufriedenheit, allen Daseinsfrusts - anzugehen.

Darin liegt die Lösung aller existenziellen Probleme. 

Nicht nur auf der philosophischen Ebene. Schopenhauers Empathie, sein Mitleid gilt auch der geplagten Tierwelt, wodurch er Neuland betritt und Maßstäbe setzt.

Btw. In den 1840ern entstehen die ersten Tierschutzvereine.

Puuh - starker Stoff. Aber irgendwie ist mir der Mann etwas sympathischer geworden. Hat echt was zu sagen in Sachen, Gemeinschaft (Community).

Das war' s für heute. Und wenn ihr eine Literaturempfehlung wollt:

Lest Schopenhauers Werk zur Eristik, also zu der ,,Kunst, recht zu behalten".

Ist für das Gespräch etwa das, was im Fußball eine Anleitung zum Foulspiel wäre.
Fies? Kommt drauf an, wie sie gelesen wird.
Denn sie kann durchaus zum Fairplay helfen, indem mensch Fallen und fiese Tricks durchschaut, vermeidet und bekämpft.  :up:

In diesem Sinne...

Bess demnähx...  :winke:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: walter14b am 19.09.2016 12:02
Lieber Wolf,

ich staune immer wieder      ...    über deine Beiträge
gelungen und voller hilfreicher Fakten.    ... ich kann sie mir nur nicht alle merken  :))

Trotzdem möchte ich mich dafür bedanken und trinke heute Abend ein Glas Pälzer Riesling (oder zwei)
speziell dir zu Ehren.

Woher kommt dieser geniale Überblick ? Lehrer für Geschichte, Religion, Musik, Literatur ....?  :-\

Viele Grüße von einem zeitweiligen Ex-Pälzer
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 19.09.2016 13:11
Danke für das nette Feedback. lieber Walter!

Was Deine Frage angeht: Ein wenig von allem - und dazu ganz viel Interesse, die grauen Zellen zu trainieren.

Weiterhin viel Spaß beim Lesen, Memorieren und Batteln!

Aller!  :wine:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 08.10.2016 20:31
Na - wieder Lust auf ein Paar philosophischen Brocken? Beginnen wir wieder mit einigen Zitaten. Und der Frage, wer der Urheber ist...

Viel Spaß!  :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 08.10.2016 20:33
Was die Philosophen von der Wirklichkeit sagen, ist oft geradeso täuschend, wie wenn man bei einem Trödler auf einem Schilde liest: »Hier wird gerollt (gemangelt) .
« Käme man nun mit seiner Wäsche, um sie gerollt zu bekommen, so wäre man angeführt: denn das Schild steht da bloß zum Verkaufe.  :-\
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 08.10.2016 20:33
Es ist ganz wahr, was die Philosophie sagt, dass das Leben rückwärts verstanden werden muss.

Aber darüber vergisst man den andern Satz, dass vorwärts gelebt werden muss.
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 08.10.2016 20:34
Ich erkenne die Wahrheit nur dann, wenn sie in mir zum Leben erwacht.  :think:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 08.10.2016 20:35
Was ist Freude, und wann ist man froh? Wenn man sich selbst in Wahrheit gegenwärtig ist. Dass man ist, heute ist, das ist Freude.
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 08.10.2016 20:36
Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, wird bald Witwer sein!  :(
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 08.10.2016 20:36

Alles ist eine Modesache: Gottesfurcht ist eine Modesache und die Liebe und die Krinoline und ein Ring in der Nase.
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 08.10.2016 20:37
Der Tyrann stirbt, und seine Herrschaft ist vorüber; der Märtyrer stirbt und seine Herrschaft beginnt  :priest:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 08.10.2016 20:38
Das Christentum ist keine Lehre, sondern eine Existenz-Mitteilung. Christus hat keine Dozenten eingesetzt, sondern Nachfolger. 

:reader:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 08.10.2016 20:38
 :-\
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 08.10.2016 20:39
Der Bewunderer ist die billigste Volksausgabe des Nachfolgers.
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 08.10.2016 20:41
Was findet willigere Aufnahme als das Geschwätz? 

                                                                               Oh, schaffet Schweigen!
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 08.10.2016 20:44
Das beherzigen wir mal. Bis bald und - ein paar schöne, besinnliche Herbsttage!

Euer pelzer Wolf!  :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Sisterinheart am 08.10.2016 21:32
Es fehlt noch ein Zitat eines großen zeitgenössischen Philosophen:

Ich hab ein zärtliches Gefühl für jede Frau, für jeden Mann, für jeden Menschen, wenn er nur vollkommen wehrlos lieben kann.  :hug:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 08.10.2016 22:24
Ganz nah dran. Gaaanz nah...

:-*
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 27.10.2016 13:49
Weitere Ideen oder Gedanken? Bin gespannt...  :up: 
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Sisterinheart am 27.10.2016 19:10
Aus gegebenem Anlass mal etwas zur Philosophie des Clowns von Klaus Peter Wick:

"Der Clown ist die beste pädagogische Figur, er macht aus jeder Niederlage einen Sieg, er kämpft unermüdlich, er gibt nie auf. Er darf scheitern, und mit jedem Scheitern wächst der Ehrgeiz für den nächsten Versuch. Er lebt im Hier und Jetzt – die Vergangenheit ist vorbei und was die Zukunft bringt, weiß er nicht.

In der heutigen Zeit zählen nur Gewinner. Überall im Leben muss alles perfekt gehen, man darf keine Fehler machen. Die Kinder werden darauf getrimmt immer besser zu werden – besser zu sein als die anderen.
Der Clown ist die Gegenfigur– der Clown lebt von Fehlern – er liebt die Fehler – alles, was schief geht, nimmt er dankbar auf. Der Clown ist der Unvollkommene und zugleich der Perfekteste, er ist immer der Beste und damit der Gewinner, nur merkt das erst mal keiner. Der Clown weist den Menschen ihre Unfreiheiten und Eitelkeiten nach und zeigt, wie skurril unser Alltag und unsere Wertvorstellungen sind. Träume und Sehnsüchte, die begraben lagen, brechen sich eine Bahn. Wenn die Zuschauer das erkennen, fangen sie an, den Clown dafür zu lieben. Das Publikum beginnt zu verstehen und es gelingt ihm, sich selbst wahrzunehmen und zu verstehen. So bringt uns der Clown bei, dass Scheitern und auch Stolpern der Anstoß für etwas Neues ist."

Diese Clownsphilosophie kann mir kein halloweeniger Gruselclown nehmen. (http://www.smilies.4-user.de/include/Girls/smilie_girl_293.gif) (http://www.smilies.4-user.de)
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 27.10.2016 20:03
Liebe Sis!

Danke für diesen wundervollen Gedanken.

Philosophie nochmal ganz anders. Clownesk. Anarchisch. Dass es echt rund geht!

Muss ich mal aufnehmen und üben....
Zitat von: Sisterinheart am 27.10.2016 19:10
(http://www.smilies.4-user.de/include/Girls/smilie_girl_293.gif) (http://www.smilies.4-user.de)

:servant:

:-*
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 28.12.2016 14:06
Hallo liebe Leute

Niemand sonst da draußen, der das Rätsel lösen möchte? Natürlich geht es um Sören Kierkegaard, den großen Philosophen Dänemarks - auch wenn es lange dauerte,  seinen Beitrag richtig einzuschätzen.

Kein Wunder, so wie er sich der Umwelt präsentierte. Als Sohn aus reichem Haus studiert er Theologie und Philosophie. Damit steht ihm ein Lehrberuf offen. Oder der des Pfarrers.  :priest:

Auf jedem Fall eine gesicherte Existenz. Aber nein.

Er gibt den reichen Müßiggänger, der sein Leben zwischen Tivoli und Theater verbringt.  :wine:
Doch das ist nur Fassade. Denn seine wahre Leidenschaft gilt dem Schreiben.
Und der Veröffentlichung immer neuer Werke. Alles im Selbstverlag und mit erheblichen Kosten.
Und unter verschiedenen Pseudonymen, die die Kopenhagener Bürger amüsiert zur Kenntnis nehmen. Denn klar. Die Stadt ist ein Dorf und jeder weiß, wer sich hinter den z.T. recht schrägen Namen verbirgt.

Vigilius Haufniensis (dt: "Der Nachtwächter Kopenhagens") - also bitte.  :))

Aber Kierkegard will sich nicht verstecken. Indem er in verschiedene Rollen schlüpft, kann er verschiedenste Facetten des menschlichen Daseins beleuchten. Etwa - hier wird's QD relevant - die des Don Juan. Inbegriff der sinnlichen Existenz. Von der er zur ästhetischen, zur ethischen und endlich zur wahrhaft christlichen kommt.  :up:

Wobei es ihm - wie einst Sokrates - nicht darum geht, gute Antworten zu liefern, überlegenes Wissen zu vermitteln.  Sondern das Gegenüber zum Fragen, zum Denken und zu eigenen Antworten zu bringen.

Denn in einem irren Hegel, Marx und Co. gleichermaßen.

Das Leben folgt keinem theologischen oder philosophischen System.  :reader:

Es will nicht reflektiert, sondern gelebt werden.

Mit dieser Einsicht wird Kierkegaard - der Querkopf, der Einzelgänger und Sonderling -  zum Wegbereiter der Existenzphilosophie (to be is to do - genau.).

Dabei kommt Kierkegaard zwangsläufig zu der existenziellen Frage an sich. Der des Glaubens.
Und da ist er kompromißlos, geht aufs Ganze.
Ein behäbiges, bildungsbürgerliches Sonntagschristentum - sagt er - hat den Glauben abgeschafft. Lehrer und Pfarrer erklären wortreich die Geschichte Jesu und der Apostel und was damals Wagnis und Ärgernis war - sichert den Nachfolgern ein gutes Auskommen und Fortkommen.  :opa:

Und der Gemeinde ein gutes Gewissen und einen ruhigen (Kirchen)schlaf.  :sleep:

"Augenblick" heißt eine Zeitschrift, in der er diesen letzten Angriff führt. Gemeint ist der Augenblick der Entscheidung für den Glauben, der Schritt, den auch damals zu Jesu Zeiten nur wenige wagten.

Kierkegaard geht ihn. Und zahlt einen hohen Preis. Immerhin bleibt ihm das Schicksal des Sokrates oder des  Nazareners erspart.
Klar: Die letzten Freunde gehen auf Distanz.
Er wird zur Zielscheibe bösartiger Karikaturisten. Straßenjungen laufen ihm nach, äffen ihn nach, verspotten ihn.  :)))

Aber er kämpft weiter.  :(

Im vergeblichen Versuch, seine Umwelt endlich doch wachzurütteln, ruiniert er sich finanziell und psychisch. Und stirbt in dem Moment, als er sein letztes Geld abhebt.

Jahrzehnte dauert es, bis seine Bedeutung erkannt wird. Und neben der Philosophie verdankt auch die Theologie des 20. Jahrhunderts ihm viele wichtige Impulse.
Ich saach mal. Karl Barth. Der schreibt ja bewusst eine kirchliche Dogmatik und lenkt damit den Blick von der reinen Glaubensleere - pardon Lehre - zum Glauben als dem Fundament kirchlichen Wirkens.

Aber das ist eine andere Geschichte...  :coffee:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 16.01.2017 12:41
Hallo liebe Leute. Weiter geht's mit unserem Philosphiebrett.

Aus aktuellem Anlass mache ich einen Sprung zurück zu den Philosophen der Antike. Denn da ist mir eine Frage begegnet zu Diogenes und seiner Tonne.

Warum wählte der Gute so eine schäbige Behausung?  :-\

Die qd-typische Antwort ist: Er lebte bedürfnislos. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Mit dieser Lebensphilosophie übte er massive Zivilisations- oder Konsumkritik.

So empörte er seine Landsleute,  indem er auf dem Marktplatz - Selbstbefriedigung betrieb.

Klar dass sie fragten: "Was soll das?"

Seine Antwort war: "Wenn ich nur dem Hunger (in der Welt) so leicht beikommen könnte,  wie dem Geschlechtstrieb."  >:D

Klar dass der Mann als ZYNIKER verschrien wurde. Frei übersetzt : Einer, den ein Hundeleben führt.  :o

Ein Begriff, der mit den vier klassischen Temperamenten rein gar nichts  zu tun hat.
Das sind SANGUINIKER, MELANCHOLIKER, CHOLERIKER und PHLEGMATIKER.

Aber das nur nebenbei.

:up:

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 16.01.2017 12:43
Noch ein Link zum Thema? Voila!

http://www.zum.de/Faecher/Eth/SA/stoff9/tempera.htm

:up:

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 25.01.2017 18:02
Und wir kehren wieder zurück ins 19. Jahrhundert.

Und kommen zu einem Philosophen, auf den am ehesten der Begriff des Cholerikers passen würde.

Oder der der "Flamme",  als die er sich einmal selber beschrieben hat? 

Ahnt ihr, wer gemeint ist?

Vielleicht wieder einige Zitate zur Annäherung?  :-\


Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 25.01.2017 18:03
Wir leben in einem System, in dem man entweder Rad sein muß oder unter die Räder gerät.
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 25.01.2017 18:05
Der Mensch ist unendlich größer als der Mensch.
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 25.01.2017 18:06
Die Menschen drängen sich zum Lichte, nicht um besser zu sehen, sondern um besser zu glänzen.
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 25.01.2017 18:06
Bei den größten Männern muß man immer noch sagen: Möchten sie etwas mehr Genie und etwas weniger Schauspieler sein.
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 25.01.2017 18:08
Wahre Worte? Die Art von Irrtum, ohne welche eine bestimmte Art von lebendigen Wesen nicht leben könnte.
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 25.01.2017 18:11
Einst wart ihr Affen, und auch jetzt noch ist der Mensch mehr Affe, als irgend ein Affe.
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 25.01.2017 18:13
Das Glück des Menschen beruht darauf, dass es irgendwo für ihn eine undiskutierbare Wahrheit gibt.
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 25.01.2017 18:14
Moral predigen [ist] eben so leicht als Moral [zu] begründen schwer ist.
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 25.01.2017 18:16
Die Massen scheinen mir nur in dreierlei Hinsicht einen Blick zu verdienen: einmal als verschwimmende Kopien der großen Männer, auf schlechtem Papier und mit abgenutzten Platten hergestellt, sodann als Widerstand gegen die Großen und endlich als Werkzeuge der Großen; im Übrigen hole sie der Teufel und die Statistik!
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 25.01.2017 18:16
Die Zeit für kleine Politik ist vorbei: schon das nächste Jahrhundert bringt den Kampf um die Erd-Herrschaft, — den Zwang zur großen Politik.
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 25.01.2017 18:19
Klingt nach einem einem überaus aktuellen Denker - oder?  :-\

Genug für heute.

Es sei denn - jemand von Euch will das Rätsel lösen?  :up:

Aller!   :winke:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Sisterinheart am 25.01.2017 18:41
Donald Trump  :-\
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 25.01.2017 18:54
Ich gebe zu - die Antwort hat was...  :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 23.04.2017 13:56
Keine weiteren Beiträge? Also echt...  :-\
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Arminia Kafka am 23.04.2017 14:09
Friedrich Wilhelm Nietzsche
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 23.04.2017 14:20
Vielen herzlichen Dank!

Lasse Dir gerne den Vortritt, wenn Du was schreiben möchtest...  :up:

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 23.04.2017 14:24
Und beschränke mich erstmal auf eine nette Episode aus dem QD. 

Wo man ja die interessantesten Typen und - Avatare trifft.

Die vielleicht auch etwas wagen, was im RL für echten Zoff sorgen würde...

So begegnete ich einmal einem netten Spieler, der sich als Breaking Bad Guy Heisenberg präsentierte.
Lenin bin ich auch schon begegnet.
Marx wohl auch.
Aber der Typ hier - toppte sie alle.
Kreisrunde Brille. Mächtige Haartolle und ein Riesenschnauzbart.

Wenn das nicht Nietzsche war, wer sonst?

Ich fragte ihn danach. Und - er gab das auch sofort zu. Es amüsierte ihn sichtlich, dass jemand sein Geheimnis aufgedeckt hatte.

Wollte aber auch kein Thema draus machen.

Leider haben wir uns gleich wieder aus den Augen verloren. Aber es war interessant. 

Ein Wiedersehen mit einem der größten Querdenker und Provokateure der Philosophiegeschichte.  Mit einer ganz speziellen Wirkungsgeschichte im 20. Jahrhundert.

Live beim QD!

Leute - dafür liebe ich dieses Spiel!  :))

:up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Sisterinheart am 23.04.2017 14:46
Meinst du den?   :-\
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 23.04.2017 14:48
Öhhh - wo hast Du den hergezaubert...?

Chapeau...

Ok. Die Tolle war noch toller aber - die Ähnlichkeit ist doch unübersehbar...   :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 19.05.2017 20:39
Ok. Es hat noch a bisserl gedauert. Aber heute sinn 'mer dran.

Bereit für das,  was kommt?  ;)

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 19.05.2017 21:04
"Es ist nicht unmöglich, dass ich der erste Philosoph des Zeitalters bin. Ja vielleicht noch ein wenig mehr. Irgend etwas entscheidendes und verhängnisvolles, das zwischen zwei Jahrtausenden steht." .

Starke Worte nicht wahr?

Zumal für einen Denker, der zu seiner Zeit fast unbekannt war.

Aber ich sage mal ganz ungeschützt. Er ist ein Philosoph des Widerspruchs und der Widersprüche.

Da ist der Pfarrerssohn und Altphilologe, der sich zum Enfant Terrible seiner Zunft und schließlich DEM Kritiker des Christentums entwickelt. Sich zuletzt gar zum Antichristen stilisiert.

Da ist der Mann mit dem einschüchternden Äußeren, der in Kriegszeiten schon mal mit riesigem Säbel posiert.
Doch innerlich ist er ein Feingeist, der nur kurz als Sanitäter Dienst tut - bevor er gesundheitshalber wieder den Rückzug antritt.

Da ist der Mann, dem die Welt das berühmte Zitat vom Weibe und der Peitsche verdankt.
Der ist im Umgang mit dem zarten Geschlecht von einer rührenden Unbeholfenheit - versucht etwa Damen eines Etablissements mit Klaviertönen zu verzaubern.

Da ist der Verkünder eines neuen Menschentyps - des Übermenschen jenseits der etablierten Kategorien von Gut und Böse. 
Der beim Anblick eines geschundenen Droschkengauls in Tränen ausbricht.
Und bald darauf einen Zusammenbruch hat, der ihn zum Pflegefall macht.
Zum Opfer seiner geltungssüchtigen Schwester, die sein Werk "bearbeitet" und den Bruder so im gerade entstehenden rechten Lager salonfähig macht.

Puha.

Starker Stoff - nicht wahr.

Kurze Denkpause und weiter geht's...  :-\


 
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 19.05.2017 22:11
Versuchen wir's, einige Grundzüge seiner Philosophie herauszuarbeiten.

Und zwar anhand eines Zitates aus einem vielleicht bekanntesten Werk.
Also sprach Zarathustra.
Vielen bekannt durch Richard Strauss' Vertonung - DEM Soundtrack zu Stanley Kubricks visionärer  Odyssee im Weltraum...

An dessen Ende sinnigerweise die "Apotheose" (Vergöttlichung) des (Anti)helden steht...

Aber das nur nebenbei...

Hören wir auf diesen Zarathustra - diese Kunstfigur Nietzsches, die mit dem Begründer des Zoroastrismus nur den Namen gemein hat...

"Drei Verwandlungen nenne ich euch des Geistes:
Wie der Geist zum Kamel wird.
Zum Löwen das Kamel.
Und zum Kinde zuletzt der Löwe."

Was kennzeichnet den Geist des Kamels? Er verehrt demütig das Erbe der Vergangenheit. Beschwört die edle Einfalt und stille Größe des klassischen Griechentums.

Pflegt seinen Glauben an die großen Stifter der Kultur, wie der Christenmensch seinen Heiland.

Schafft sich mit der Zeit auch neue Ersatzreligionen - wie den Wagnerkult!   

Oder kultiviert einen zeitgeist-typischen, billigen Atheismus, der die radikalen Konsequenzen der Idee ausblendet.

Alles das ist Ausdruck von Dekadenz, eine Illusion, schlimmstenfalls moderner Götzendienst (Schopenhauer und Kierkegaard lassen grüßen). 

Und daran hat sich seit der Antike nichts geändert.

Ach ja die Antike. Nur - Küsten des Lichts?
Um es mal mit Peter Bamm zu sagen. Dem heute fast vergessenen Philanthropen und Top-Autor...

Hellas war eben nicht nur das Reich des Lichtgottes Apoll.
Da ist auch (qd-relevant) der Gott der Extase und des Rausches: Dionysos.
Den lobt Nietzsche in den typischen Dithyramben und stößt damit die ganze Philologenzunft vor den Kopf.

Wir merken:

Nietzsche ist ein Löwe. Ein einsamer Prediger in der Wüste, der die Brüchigkeit, die Nichtigkeit, die Dekadenz seines Zeitalters aufdeckt.
Er ist der Prophet des Nihilismus - der nur etwas für freie Naturen ist.
Dem die Moral der Altvorderen - die Stumpfheit der Mitmenschen - nicht mal mehr ein mildes Lächeln abringt. 

"Der zweite Gang. Das verehrende Herz zerbrechen... Unabhängigkeit.
Zeit der Wüste.
Kritik alles Verehrten."

Am Ende steht schließlich der neue Mensch. Das Kind der neuen Zeit.
Kein blauäugiger, engstirniger Machtmensch - wie er den Nazis vorschwebte. Gleichschaltet und getrieben von einem ominösen "Willen zur Macht".
Ein frei gewordener Geist, den einiges mit dem aristokratischen Menschentyp der Renaissance verbindet.

Der quasi im Alleingang dem Zeitalter die Stirn bietet - ja, ein neues heraufführt.

Der das Leben mit all seinen Widersprüchen und Gegensätzen bejaht und mit seinem ganz eigenen Sinn füllt.

Klingt schon a bisserl nach dem Existenzialismus des 20. Jahrhunderts?

Nicht wahr?

Nietzsche hat es noch erlebt, aber - geistig umnachtet und ein wahrhaft tragischer Fall - nicht mehr wahrgenommen.

Er starb  am 25. August 1900, weshalb es (QD-relevant) Anno 2000 große Jubiläumsfeiern gab.

So viel für heute.

Jetzt gönne ich mir Strauss' Zarathustra.
Und ein zeitgeisttypisches Craftbier - Imperial Stout Tequila.

Bin gespannt auf Eure Feedbacks!  :winke:














Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Sisterinheart am 20.05.2017 07:40
Strauss Zarathustra war - qd-relevant - die Eröffnung von Elvis Presley-Konzerten.

https://youtu.be/MK0x6U1aPuk 

Aber das nur nebenbei   :))
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 20.05.2017 10:29
Danke für diesen Hammerfact und den Link!  :winke:

Da hätte ich auch noch einen...  ;)

https://www.youtube.com/watch?v=vWF1glZWQa8

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 25.05.2017 21:43
14 000 clicks!  Unglaublich! 

Vielen Dank für so viel Interesse!

:up:

:winke:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: AloisIrmel am 30.05.2017 20:01
Guten Abend, lieber de Wolf,

nur ein Wort zu Beginn: Chapeau!!!!

Und dankeschön für Deinen Blog, Du hast die seltene Gabe, komplizierte und komplexe, meistens langweilige Informationen und Texte, auf den Punkt genau, in Alltagssprache, aber spannend unters gemeine Volk zu bringen. Großartig!
Bin durch Zufall drauf gestoßen und begeistert! Einiges wusste ich, vieles hab ich beim Lesen kurzweilig erfahren.

Du bist selbst ein Philosoph unserer Zeit!

Ich freue mich schon jetzt auf Deine nächsten Beiträge!

Herzliche Grüße von Irmchen
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 19.07.2017 16:50
Dankeschön für das nette Feedback. Und natürlich auch fürs stilles Lesen. Hätte ja nie gedacht, dass es da draußen so viel philosophisch interessierte QD-ler gibt.

Oder lest ihr diese Posts etwa nur, weil ihr S...kats trainieren wollt?  >:D
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 19.07.2017 16:51
 ;)
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 19.07.2017 17:05
Wie auch immer. Langsam komme ich wirklich zum Ende. Wobei ich noch ein paar Fragen aus früheren Jahrhunderten begegnet bin, die ganz interessant sind.

Also:

Mit welchem Handwerk vergleicht Sokrates seine philosophische "Arbeitsweise".

Antwort: Er sieht sich als Hebamme.

Denn anders als andere, will er keine eigenen Einsichten vermitteln - schon gar nicht um des schnöden Mammons willen. 

Sokrates behauptet nicht etwas zu wissen. Im Gegenteil. Er will seinen Gesprächspartnern "nur" dabei helfen, zu echtem Wissen und wahrer Erkenntnis zu kommen. 

Also stellt er Fragen, mit dem Ziel, vermeintlich Sicheres zu überprüfen und neu zu überdenken.

Dass das - im Bild gesprochen - eine schwere Geburt ist und ihm nicht nur Sympathien einbringt, liegt in der Natur dieser Technik.

Ironie der Geschichte: Platon macht seinen Lehrer postum zu dem großen Lehrer, für den  die Gesprächspartner schließlich nur mehr Stichwortgeber sind.

So kann's gehen...  :reader:   
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: ring45 am 19.07.2017 19:42
Lesen aus Interesse und Bewunderung mit dem Versuch, etwas zu entgegnen, aber der Kopf gibt nichts Gescheites und Philosophisches her  >:(
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 21.07.2017 10:49
Was tun? Wissen vernetzen, erden, veranschaulichen.

Aber wie sagt der Pelzer: Ned so eefach, wemmas doppelt nemmt.

Awwer mir probiere's weider...  :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 21.07.2017 11:21
Fangen wir mal an mit einem großartigen Star Trek Film. Der "Zorn des Khan." Dieser Erzfeind Captain Kirks kann nur unter großen Opfern besiegt werden.
Denn wie Käpt'n Ahab ist Khan bereit, seiner Rache alles zu opfern - auch das eigene Leben. Wenn er nur den Gegner mitnehmen kann...   >:D

In letzter Sekunde repariert Mr. Spock den havarierten Antrieb der Enterprise und rettet Schiff und Besatzung - wohl wissend, dass er sich damit eine tödliche Strahlendosis einfängt.

Warum?

:think:

Seine Begründung - geradezu typisch für den Vulkanier:

"Es war eine logische Entscheidung. Das Wohl von Vielen, es wiegt schwerer als das Wohl von Wenigen oder eines Einzelnen." 

Damit zeigt sich Spock von seiner zutiefst menschlichen Seite -  als konseqenter Vertreter einer utilitaristischen Ethik.

Das Wort Utilitarismus leitet sich ab vom lateinischen utilis - nützlich.

Ziel menschlichen Handelns sollte also sein, zum Nutzen bzw. Wohlergehen aller (oder möglichst vieler)  beizutragen.

Was das im Einzelfall ist und wie das hohe Ziel zu erreichen ist - das wird von verschiedenen Utilitaristen unterschiedlich gesehen.

Geht es dabei um individuelles Glück und Wohlergehen - oder doch um allgemeine Pflichterfüllung?
Oder um Werte "an sich"?     
Wer ist es, der entscheidet?
Und mit welchen Folgen für das Gemeinwesen? 

Gute Frage.

Was denkt ihr?

:-\

Es ist jedenfalls (auch für QD)  gut zu wissen, dass dieser Ansatz durch Jeremy Bentham (1748–1832) und John Stuart Mill (1806–1873) entwickelt wurde.

Trekkies würden natürlich sagen, dass Surak die Nase vorn hatte.  ;)

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 28.07.2017 12:52
Gerade in seiner "antiautoritären" Form hat der Utilitarismus auch moderne wissenschaftliche Disziplinen wie Sozialphilosophie, Soziologie, kritische Gesellschaftstheorie und Wirtschaftswissenschaften geprägt.

So gilt Mill als Vater des sozialen Liberalismus.

Ein Mensch mit Überzeugung. Besser als - Zitat / OT:  "99 andere, die bloß Interessen verfolgen."   :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 17.10.2018 11:52
A propos Interesse. Wörtlich - mit dabei sein. Anteil nehmen.

Was besonders angenehm ist, wenn es  - nach dem Verständnis der griechischen Philosophen - auf drei Weisen geschieht.

Durch Eros, Philia und Agape.

Eros bezeichnet dabei körperliche Liebe bzw. Anziehungskraft.
Eine besondere Energieverbindung, die auch für Außenstehende spürbar ist.
Die sich auch und gerade in der" erotischen Sinneslust" zeigt.
Dabei gibt es Verbindungen bzw. Parallelen zur indischen Philosophie (Prana bzw. Kama) und sogar zur chinesischen (Qui).

Das Element des intimen "Verkehrs" bzw der innigen Verschmelzung der Partner wird auch im hebräischen Verb jadah deutlich, dass eigentlich "erkennen" bedeutet.

Aber das nur nebenbei.  ;)

Philia ist die Liebe unter Freunden. Die Liebe zur gemeinsamen Sache. Einer Lebensphilosophie, die die Freunde verbindet.
Gemeinsame Interessen - wie die Philatelie (Briefmarken) oder die Byrophilie.  :cheers:

Die dritte Form schließlich, die Agape,  hat gerade im Christentum besondere Bedeutung bekommen.
Denn hier ist sie die reinste, höchste, Form der Liebe. 
Wahrhaft überirdisch - göttlich.
Warum? Weil sie uneigennützig ist.
Ohne Gegenleistung auskommt.
Sogar den Feind einschließt.

Nicht umsonst ist auch das lateinische Pendant - Caritas - der Name einer kirchlichen Hilfsorganisation.

Diese Form der Liebe besingt auch der Apostel Paulus in seinem Hohelied (1. Korinther 13, 1-13).  :guitar:

A propos.

Ein kleiner Witz sei hier erlaubt.

"Der Pfarrer schloss mich ein in sein Gebet. Wie komme ich da wieder raus?"  :-\






Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 07.04.2019 16:07
Schweigen...  :-\
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 07.04.2019 16:08
Denkpause...
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 07.04.2019 16:08
Längere Denkpause...

:think:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 07.04.2019 16:52
Dann mache ich mal weiter.

Zunächst mit einem faszinierenden Stück Geschichtsphilosophie. Einer TV Serie von CNN, die  pünktlich zur Jahrtausendwende ausgestrahlt wurde.

Ihr Name war folgerichtig: Millennium.

Zehn Teile hatte sie und jede umspannte ein Jahrhundert. Jeder stand unter einem besonderen Leitmotiv, das anhand von fünf  Kulturen rund um den Globus entfaltet wurde.

Klingt ambitioniert?

War es auch. Die Produzenten und Kameraleute nahmen sich zwei Jahre Zeit für Reisen rund um den Globus. 100,000 Meilen Filmmaterial wurden belichtet. Schauspielsequenzen und Animationen erweckten die Vergangenheit zu neuem Leben. 

Der Oscarpreisträger Ben Kingsley wurde als Erzähler engagiert. Zwanzig Jahre später - wäre es eigentlich Zeit für eine Wiederholung.

Zum Inhalt:

Teil 1 behandelt das 11. Jahrhundert und trägt  den Titel:  Das Schwert. Es ist eine Zeit kriegerischer Auseinandersetzungen mit Auswirkungen bis in unsere Zeit.
Ein Beispiel ist die normannische Eroberung Englands 1066 (Wilhelm der Eroberer - genau.)
Zu nennen wäre aber auch der Erste Kreuzzug und die Gründung des Königreiches Jerusalem.

Teil 2 behandelt das 12. Jahrhundert und trägt den Titel:
Die Axt. Es ist eine Zeit ambitionierter Bauvorhaben.
Von den Kirchenbauten und neuen Stadtkulturen im Süden Europas über die aus Stein gehauenen Gotteshäuser Äthiopiens hin zu den Pueblo-Siedlungen in der neuen Welt (Mesa Verde).

Im Teil 3 geht es um das 13. Jahrhundert und um den Steigbügel.
Wir denken an die Glanzzeit der Ritter.
Aber auch an die Entstehung und Expansion des mongolischen Reiches.

Im Teil 4 geht es um das 14. Jahrhundert und um die Sense. Die Pest rafft unzählige Menschen dahin. Eine kleine Eiszeit führt zu Hungersnöten und Revolten und gefährdet sogar Europas feudales Machtgefüge.  :'(

Die Folgen zeigt Teil 5. Er trägt den Titel: Das Segel. Denn im 15. Jahrhundert begann - aus schierer Enge und materieller Not geboren - Europas langsamer Aufstieg zur Weltmacht. 

Ich sage mal. Heinrich der Seefahrer. Der Wegbereiter Vasco da Gamas.

Segel setzten aber auch Riesenflotten aus China die Handelsverbindungen bis nach Ostafrika knüpften. Bis das Reich der Mitte sich wieder zurückzog und das Feld anderen Mächten überließ.

Ein massiver Fehler, den die heutigen Machthaber - scheint es - korrigieren wollen.  :-\ 

Im 6. Teil geht es um 16. Jahrhundert und - um den Kompass. Ohne den die Europäer auf Ihren Nusschalen in der Weite der Ozeane wohl verloren gewesen wären.

Im 7. Teil wird deutlich, wie Europa seinen technischen Vorsprung ausbaut. Im 17. Jahrhundert wird das Teleskop erfunden. Unser Wissen über unsere Erde und unseren Kosmos vervielfacht sich.

Im 8. Teil geht es um das 18. Jahrhundert und den Beginn der Industrialisierung.
Das Symbol ist - logisch - der Feuerofen.
Alternativ hätte sich auch Thomas Newcomens Dampfmaschin' angeboten. 

Aber nein. Die krieje mehr später.

Im 9. Teil nämlich. Denn da  geht es um das 19. Jahrhundert.

Und das ist wirklich das Zeitalter der - Maschinen.

Den Schlusspunkt setzt dann Teil 10. Das 20. Jahrhundert steht im Zeichen des Globus bzw der endgültigen (?) Globalisierung.

Interessant wäre nicht nur eine Wiederholung der Serie.
Sondern auch ein weiterer Teil über das 21. Jahrhundert.
Welches Symbol würde sich da anbieten?

Der Mikrochip?  :-\

Wer Vorschläge hat - bitte melden!  :winke:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 07.04.2019 17:06
Lust auf einen Link?

Leider nur auf englisch. Aber immerhin!  :up:

https://www.youtube.com/watch?v=mF4hfLgD_eo
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Alemana56 am 12.04.2019 23:48
Bin neu im Forum u. schaue mir alles mal an. Was du schreibst und wie du das mit Qd- Wissen verknüpfdt, finde ich einfach super! Chapeau, Wolf de[emoji106][emoji3]

Gesendet von meinem E5823 mit Tapatalk

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 13.04.2019 20:39
@ Alemana: Dankeschön für das nette Feedback! Und: Herzlich willkommen!  :winke:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 26.08.2019 17:41
Da simmer wieder. Geneigte LeserInnen. Liebe philosophisch interessierte QD-Fans. Oder - Kenner der Materie.  :-\

Wer kennt sich mit dem 20. Jahrhundert aus und hilft mir, das Brett langsam abzuschließen?  :winke:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 26.08.2019 17:55
 [SiS01] [SiS01] [SiS01]
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 30.09.2019 12:53
Bis dahin schließen wir noch einige Lücken.

Und kommen zu einer politischen Streitschrift, die zu einem Bestseller ihrer Zeit wurde. Und bis heute an Aktualität nichts verloren hat.

Die Rede ist von Thomas Paines 1776 erschienenem Werk "Common Sense". Was übersetzt soviel bedeutet, wie "Gesunder Menschenverstand".

Aber auch - "Gemeinwesen".

Und Paine wußte beide Themen geschickt miteinander zu verbinden.

Worum ging es ihm? 

Paine war Bürger der "Vereinigten Kolonien" in der Neuen Welt. 13 an der Zahl. 

Ob daraus (Vereinigte) Staaten werden sollten, war noch nicht ausgemacht.

Viele Kolonisten hegten immer noch starke gefühlsmäßige  Bindungen an das Mutterland.

Bei aller Kritik  sahen sich als Untertanen "Ihres" Königs Georgs III. Waren bereit Steuern zu zahlen - wenn sie im Parlament vertreten waren.

Paine machte unmissverständlich klar, das die monarchischen und parlamentarischen Prinzipien Grossbritanniens mit etlichen Fehlern behaftet waren.

Allein dass in diesem System Könige und Lords gab, widersprach fundamental seiner Vorstellung, dass alle Menschen gleich (geschaffen) waren.

Somit war es die historische und moralische Pflicht der Amerikaner, diesem Unrechtsstaat den Kampf anzusagen.
Es galt, sich von diesem "Mutterland" zu lösen und ein eigenes  parlamentarisches Regierungssystem zu entwickeln.

Diese Gedanken zündeten!

Auch und gerade weil Paine sie in so einfacher und klarer Sprache darlegte, dass wirklich jeder  Mensch verstehen konnte worum es ging.

So kam es zu einem Stimmungsumschwung. Loyalismus war out. Patriotismus war das Gebot der Stunde. Die Grundlage für die Gründung der neuen, Vereinigten Staaten.  :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 30.09.2019 12:59
Ein Originalzitat von besonderer Aktualität?

"Wenn wir aus den elenden Gegenden der alten Welt uns nach denjenigen wenden, die auf einer höheren Stufe der Verbesserung stehen, so finden wir auch hier die gierige Hand der Regierung, die in jeden Winkel, in jede Spalte des Fleißes und der Betriebsamkeit eindringt, und den Erwerb des Volks an sich reißt."  :-\
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 19.11.2019 16:37
Da wir gerade beim Thema sind:

Am 9. März 1776 erschien auch ein weitere bahnbrechende  Schrift, die unsere moderne (Gedanken-)welt maßgeblich bestimmt hat.

Der Reichtum bzw. Wohlstand der Nationen (engl. Titel: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations).

Es ist das Hauptwerk des schottischen Ökonomen Adam Smith und bildet die Grundlage unserer modernen Wirtschaftswissenschaft.

Aufbauend auf den vier Säulen: Freiheit der Märkte, der Geld­wirtschaft, der Produktionsverfahren und Handels.

Klingt vertraut?

Isses auch:

Smith gilt als Ahnherr der klassischen Nationalökonomie und Vordenker des Wirtschaftsliberalismus unserer Zeit.

Wahrlich eine Philosophie mit globalen Auswirkungen...  :-\

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 12.12.2019 19:07
Amüsant und interessant zugleich: Eben bekomme ich eine Frage, die sich unmittelbar an die eben geklärte anschließt. 

Wer weiß etwas über die "Unsichtbare Hand"?

Eine Idee?

Ach, wie vermisse ich meinen alten Spezi FAQ und seine Grubenlampe...  :(   
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Sisterinheart am 12.12.2019 19:08
Das eiskalte Händchen?
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 12.12.2019 19:18
Filmtipps bitte nebenan einreichen.

Vielen Dank!   :P
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Sisterinheart am 12.12.2019 19:37
Ist das nicht Oper?
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 12.12.2019 19:58
Ganz große Oper!  :))

https://www.youtube.com/watch?v=msX-SizUAiQ
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Sisterinheart am 12.12.2019 20:15
Ok, zurück zum Thema

https://youtu.be/uUCRjl6Pf90
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 12.12.2019 20:24
Klasse Clip! Unbedingt zu empfehlen! Danke!  :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 09.02.2020 15:03
Dann kommen wir langsam zu der philosophischen Schule, die unsere Neuzeit geprägt hat wie keine andere.

Dem Sozialismus bzw. Kommunismus.

Auch als Marxismus bekannt - nach seinem wichtigsten Vordenker. Wobei Karl Marx nicht denkbar ist, ohne seinen Mitstreiter Friedrich Engels.

Ein betuchter Mann, der auch erhebliche finanzielle Beiträge zur gemeinsamen Sache leistete.

Aber beginnen wir mit Karl. Geboren 1818 in Trier, das damals noch zu Preußen gehörte.

Er war also ein Kind der Restauration.

Der Sohn einer kinderreichen jüdischen Familie, die etliche Rabbiner hervorgebracht hatte.

Zur zahlreichen Verwandtschaft gehörte auch eine gewissen Familie Philipps, die einen niederländischen Elektrokonzern gründete.

Oder die Heines, deren bekanntestem Sproß auch revolutionäre Neigungen nachgesagt wurden.

Aber nach 1815 war erst mal Anpassung angesagt.

Der Vater Heinrich (Heschel) Marx konvertierte zum Protestantismus, da er nur so seinem Beruf als Anwalt nachgehen konnte.

Auch der Sohn sollte diesen Beruf ergreifen.

Während seines Studiums konzentierte er allerdings zunehmende auf die Philosophie und wurde zum ziemlich rebellischen Linkshegelianer.  :o

So sind nächtliche Eskapaden verbürgt. Trunkenheit. Lärm. Raufereien. Das widerrechtliche  Tragen eines Säbels.  :-\

Andererseits gab es auch Besuche eines dichterischen "Kränzchens", das ihn zu reichlich sentimentalen  Ergüssen inspirierte.

Die bürgerliche Seite seiner Existenz kommt auch zum Tragen, als er eine Dame namens Johanna Bertha Julie Jenny von Westphalen kennenlernte und ehelichte.  [SiS19]

In Bad Kreuznach - wie wir aus QD wissen.  :up:

Interessant sich den anderen Karl vorzustellen. Auch der sicher ein Patriarch. Ein Mann mit Autorität.

Aber eben - ein respektierter preußischer Bürger. Ein angesehener Professor der Philosophie.  :reader:

Wurde nichts draus. Der preußische Staat hielt nichts von kritischen Geistern und trieb sie so erst recht in die Opposition. Und 1848 in die offene Revolution, der sich breite Schichten der Bevölkerung anschlossen.  :guns:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 09.02.2020 15:23
Etwas stimmungsvolle Musik...?

https://www.youtube.com/watch?v=chT-t7kT9W4&list=PLA7c6QA45kOhcHJn0h8VV-Isi8U5LspwH&index=4
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 09.02.2020 15:23
Mitsingen!   ;)
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Cristina Viv am 10.02.2020 10:53
Umdichten auf die heutige Zeit ??? :))
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 10.02.2020 13:13
Wer erinnert sich an Dieter Süverkrüp?

Espe?

Hein und Oss?

Barden, die das Lied in den 1970ern neu entdeckt und gesungen haben.  So weit ich sehe mit Originaltext.

Hannes Wader hat ein anderes 48er Lied aktualisiert. Weckt sicher manche Erinnerungen.  :-\
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 10.02.2020 13:19
Das Original...

https://www.youtube.com/watch?v=GwMrcTn0t8k

Die 70er Fassung...

https://www.youtube.com/watch?v=AUUfuW-Pr3M

Und eine von 2014...

https://www.youtube.com/watch?v=GkufC7-Iecg

Immer wieder hörenswert....  :up:

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 10.02.2020 14:01
Bevor es jetzt nostalgisch wird, erinnern wir uns daran, dass aufmüpfige Barden im Deutschland des Vormärz mit Festungshaft bestraft wurden. 

Und nach den Erfolgen im Frühling 1948 die Reaktion sehr schnell einsetzte.

Überhaupt trafen sich die frühen Kommunisten bevorzugt in London und Paris, wo ein liberaleres  Klima herrschte.

In London haben die Herren Marx und Engels denn auch auch das "Kommunistische Manifest" verfasst.
Eine Aufforderung an den Arbeiterstand (das Proletariat), die uralte Geschichte von Klassenkämpfen um das entscheidende Kapitel zu erweitern.
Die finale Weltrevolution. An deren Ende die neue, klassenlose Gesellschaft stehen sollte...

Eigentlich ist das Werk mit 23 Kapiteln recht schmal geraten. Was zählt ist die visionäre Verve, die Hegels Philosophie vom Kopf auf die Füße stellt und zur - Handlungsanleitung macht.

Mit zahlreichen Sätzen, die haften blieben.

Vom Ersten: ,,Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus.".

Bis zum Letzten: ,,Mögen die herrschenden Klassen vor der kommunistischen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen."  :up:

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 10.02.2020 14:11
Bei diesem fast schon religiösen Tenor ist es nur konsequent, dass der Prager Komponist und Kommunist Erwin Schulhoff (1894–1942) es in Form einer Kantate für Solo, Chor und Bläser vertont hat.

Hat wirklich Schmiss das Teil!  ;)

https://www.youtube.com/watch?v=dAujsDBZByA
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 10.02.2020 14:15
Eine Zusammenfassung gibt es hier...

https://www.deutschlandfunk.de/04-05-2019-lange-nacht-mit-einem-einzigen-frischen-sprung.media.edbe7c59f876606225dc6345f36334e0.pdf
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 14.02.2020 13:30
Trotz allem prophetischen Sendungsbewußtsein gab es ein gewisses Problem mit  den  "Klassenfeinden".

Die weigerten sich nämlich einfach, angesichts des Manifests in Schockstarre zu verfallen.

Im Gegenteil: Die Versuche des Proletariats, sich zu vereinen, wurden mit aller Macht erschwert. Erst recht die Gründung von Parteien.

So versammelten sich die Leute in lokalem Arbeiterbildungsvereinen, die auch die Unterstützung liberaler und demokratischer Kräfte fanden.
Diese wurden dann zu Keimzellen von übergreifenden Organisationen wie dem 1863 gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV).
Dessen maßgeblicher Gründer der  QD-bekannte Ferdinand Lassalle war.
Etwas später (1869) folgte dann die konkurrierende Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP).

Wobei die Mitglieder sich klugerweise auf die brüderliche Solidarität besannen.

So kam es in Gotha 1875 zu einem Vereinigungsparteitag und einem gemeinsamen Programm. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu Genese DER Arbeitervolkspartei schlechthin.

Zumindest in Deutschland.

Klar. Wir sprechen von der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) , aus der 1890 die - SPD wurde... :reader:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 14.02.2020 13:31
Leute - das waren noch Zeiten!  :'(
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 15.02.2020 21:13
Interessant ist, dass viele Gründerväter der Bewegung einen bourgeoisen Hintergrund hatten und dieses Erbe nicht einfach abschütteln konnten. 

So war Lasalle ein "Studierter" und Mitglied einer schlagenden Verbindung. Er verlor sein Leben in einem Duell über eine Frau.  :'(

Marx und Engels wurden bei aller Religions- und Kirchenkritik Taufpaten.
Und das gleich zweimal.
Einmal bei einem Kind namens Karl Friedrich Köttgen, dem Sohn einer befreundeten Hamburger Bürgersfamilie.
Dieses Patenkind verstarb leider sehr früh.
Die eigenhändigen Unterschriften der Herren aber sind bis heute im Taufbuch von St. Michaelis zu lesen.

In zweiten Fall waren die Paten wohl abwesend, gaben aber entsprechende Verpflichtungserklärungen ab.

Aus diesem Täufling wurde später ein echter Radikaler und Revolutionär:

Der Name? Karl Liebknecht.  :o

Was zu der Frage führt: Waren Marx und Engels Kirchenmitglieder?

Bzw.: Hatten sie Patenfähigkeitsbescheinigungen?   :-\
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 17.02.2020 11:24
Wenn wir vom Zusammenhalt unter Arbeitern sprechen gilt es zu erinnern, dass der Klassenfeind auch bestens vernetzt war und zudem die geballte Macht des Staates auf seiner Seite wußte.

Das hatte schon der verzweifelte Aufstand der schlesischen Weber 1844 gezeigt, wo die ausbeuterischen Fabrikanten nicht alleine standen.

Das preußische Militär schuf eilends Abhülfe.  :'( 
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 17.02.2020 11:25
Ein Flugblatt aus der Zeit zeigt die doppelte Misere... 
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 17.02.2020 11:57
Ähnliches ließ sich im Deutsch-französischen Krieg beobachten.

Nach der verlorenen Schlacht von Sedan setzten bürgerlich-konservative Kräfte den Kaiser ab und riefen die Republik aus.

Kommunistischen und anarchistischen Kräften war das nicht genug. Es entstand die Pariser Kommune, eine frühe Räterepublik.

Diese bekam sogar teilweise die Unterstützung linksliberaler Bürgerkreise, die eine Abkehr vom Zentralismus wünschten und eine Föderation autonomer französischer Städte anstrebten.

Das Ende vom Lied? Die Kommune wurde mit aller Macht niedergeschlagen. Gefangene wurden standrechtlich erschossen.
Später wurden die Kommunarden in Schnellgerichten abgeurteilt. Wer Glück hatte - wurde in die überseeischen Kolonien deportiert.  :( 

Wobei die im Land stehenden Deutschen Truppen nicht nur stillhielten.

Zahlreiche französische Kriegsgefangene wurden eilends freigelassen und verstärkten "ihre" geschwächte (und demobilisierte) Armee. 

Ein deutscher Autor names Eugen Berthold Friedrich Brecht hat der Kommune ein episches Theaterstück gewidmet.

Und Politbarden von Schmetterling bis Oktober wahrlich revolutionäre Konzeptalben...  ;)

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 17.02.2020 11:58
Kostprobe?

https://www.youtube.com/watch?v=fjNZDvoLk0g
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 20.02.2020 16:13
Dann kommen wir zum 1. Mai. Seit jeher der Internationale Tag der Arbeit.

Ok. Traditionell war es ein Tag, an dem Wechsel im Beruf oder Wohnort durchgeführt wurden (Moving Day).

Ein Tag der Veränderung und des Neuanfangs.

Ein Tag - an dem alte Arbeitsverhältnisse beendet wurden.

Und damit ein Tag von Demonstrationen und Streiks gegen ungerechte Verhältnisse.

Wobei das Kapital mit Aussperrungen antwortete.

Mit der Anwerbung neuer Arbeitskräfte als Streikbrecher.

Oder mit Gewalt seitens bezahlter Schlägertrupps, Milizen und - Polizei.   

So war das auch in Chicago im Mai des Jahres 1886, wo eine Arbeiterversammlung auf dem Haymarket zu einer regelrechten Schlacht zwischen Arbeitern und Polizei führte.

Wer wohl angefangen hat?  :-\

Es gab zahlreiche Opfer auf beiden Seiten. Aber vor allem - auf Seiten der Demonstrierenden.  :'(

Zur weiteren Abschreckung wurden auch Todesurteile gefällt. Und - Begnadigungen ausgesprochen.

Getreu der alten Devise: Brot und Peitsche und dann evtl. wieder Brot. Teile und herrsche.

Klasse(njustiz)!

Das förderte aber nur die Solidarität in der Arbeiterbewegung.

Das Ende vom Lied (oder vielmehr der Anfang): 

1889 wurde - zur Erinnerung an diese Ereignisse - der 1. Mai zum internationalen ,,Kampftag der Arbeiterbewegung" erklärt.

Im Folgejahr wurde er erstmals mit Massenstreiks und Massendemonstrationen in der ganzen Welt begangen. 

:up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 20.02.2020 16:16
Hören wir nochmal Hannes Wader...

https://www.youtube.com/watch?v=r1dvJkz15mc  :guitar:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 20.02.2020 16:28
Und jetzt alle!   :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 21.02.2020 18:20
Da geht noch mehr!  :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Sisterinheart am 21.02.2020 19:06
Äh, wir singen gerade was anderes 


[SiS18] (https://youtu.be/vC-R_olORhU)   <------- klick


Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Cristina Viv am 21.02.2020 19:13
Zitat von: Sisterinheart am 21.02.2020 19:06
Äh, wir singen gerade was anderes 


[SiS18] (https://youtu.be/vC-R_olORhU)   <------- klick

👍🏻 [SiS06] [SiS29] :)) :))
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 21.02.2020 20:34
Also gut - aber nur weil Ihr es seid!  :winke:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 03.03.2020 19:58
Allemannische Fassenacht ist auch vorbei. Dann könnte es ja weitergehen...  :-\
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 15.04.2020 20:50
Mit einem ziemlich ernsten Thema. Dem Sozialismus in Rußland. Im Zarenreich.

An dieses Land hatten Marx und Engels sicher nicht gedacht, als sie die Weltrevolution prognostizierten.

Das Land war durch und durch rückständig. Die Masse des Volkes waren einfache Bauern, die eben noch Leibeigene gewesen waren. Bodenständig, fromm und zarentreu...

Die Industrialisierung hatte gerade erst begonnen und war auf auf einige westlich geprägte Metropolen beschränkt.

Ein Proletariat entwickelte sich erst langsam.

Wer sollte da eine Revolution beginnen?  :-\

Antwort:

Eine Handvoll Berufsrevolutionäre. Unter dem Druck des zaristischen Geheimdienstes abgehärtet. An ein Leben im Untergrund, in der Verbannung oder im Exil gewöhnt.  :'(

Männer der Tat. 

Folgerichtig gaben sie sich Decknamen, die interessante Einblick in ihre Psyche ermöglichten.

Allen voran: Der Denker Wladimir Iljitsch Uljanow. Bekannt unter dem Alias Lenin.  Was meist gedeutet wird als "Der vom sibirischen Fluss Lena stammt", also auch das Exil im Osten nicht fürchtete.  >:D

An seiner Seite: Lew Dawidowitsch Bronstein a.k.a. Trotzki (der Trotzige). Der zum DEM politischen und militärischen Organisator der Revolution wurde.  :reader:

Zunächst eher in der zweiten Reihe: Josef Bessarionis des Dschughaschwili. Ein rauher Georgier, der sich den Namen Stalin gab. Der Mann aus Stahl. Das war er wirklich und hat es mehr als einmal bewiesen.  :'(

Oder Wjatscheslaw Michailowitsch Skrjabin. Bis heute als Molotov bekannt. Der Hammer. Oder der Hämmernde.

Ein kaltblütiger Kadertyp (und ergebener Gefolgsmann Stalins) der die Außenpolitik - revolutionierte.

Passt irgendwie...  :-\

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 18.04.2020 21:24
Lenin übrigens - feinsinnig wie er war - gab Molotov den schönen Spitznamen Eisena...  :o
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 28.04.2020 13:43
Wenn wir uns diese Herrenriege ansehen,  führt das zu der Frage, warum sich kein Widerstand gemäßigter Kräfte formierte.

Sozialisten, die im Sinne der marxistischen Orthodoxie den streng dialektischen Fortgang der Weltgeschichte erwarteten.

Also erst einmal die Entmachtung der feudalen Heerschaften durch eine bürgerliche Revolution.

Und dann erst die große proletarische Weltrevolution, die wirklich eine Massenbewegung sein sollte - und keine Sache entschlossener Berufsrevolutionäre.  :-\
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 28.04.2020 13:43
Eine Idee...?
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 01.05.2020 12:17
Blicken wir nach Deutschland. Da kam es im Ersten Weltkrieg  zu einem verhängnisvollen Streit in der SPD.

Es gab Stimmen, die sich gegen den "Burgfrieden" richteten - also ein Ende des Gemetzels verlangten.

So entstand die Unabhängige SPD aus der dann die KPD hervorging.

Womit die Linke empfindlich geschwächt wurde - was letztlich den Nazis in die Hände spielte...  :'(






i
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Sisterinheart am 01.05.2020 12:25
Hochaktuell  :-\
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 01.05.2020 12:43
Auch die russische Arbeiterpartei erlebte das bereits einige Jahre früher, nämlich 1903. 

Während eine Minderheit von gemäßigen Kräften weiter auf eine bürgerliche Revolution setzte, forderte eine radikale Mehrheit einen kurzen Prozess:

Die rasche Beseitigung des Zaren und seiner adligen und bürgerlichen Unterstützer. 

Um das zu forcieren, wollten sie die Arbeiterpartei "reorganisieren" und einer straffen Hierarchie von Berufsrevolutionären und Kadern unterwerfen.

Minderheit heißt Menschewiki. Mehrheit - Bolschewiki.

Beide waren seit 1905 im russischen Parlament, der Duma, vertreten. Ohne viel bewegen zu können.

Das änderte sich mit dem Krieg, der die äußere und innere Schwäche des Zarenreiches offenlegte.

Fatalerweise verloren die Menschewiki die Unterstützung vieler Wähler, weil sie sich nach dem Ende des Zarentums an der neuen, bürgerlichen Regierung beteiligten, die den Krieg gegen die Mittelmächte fortsetzte.

Die Bolschewisten nutzten das aus - mit dem bekannten Ergebnis.  :'( 
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 01.05.2020 12:44
Zitat von: Sisterinheart am 01.05.2020 12:25
Hochaktuell  :-\

Stimmt (leider)...  :(
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 10.06.2020 14:32
Die macchiavellistische Denkweise der Bolschwiki zeigte sich auch darin, dass sie im Frieden von Brest-Litowsk mit dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn weite Teile des alten Zarenreichs an die Mittelmächten abtraten.
Das wurde mit der schönen Formel "Brot und Frieden" verkauft.
In Wahrheit ging es darum, Zeit zu gewinnen, mit jedweder Oppostion aufzuräumen und die Machtfrage ein für alle Mal zu klären.  :'(
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 10.06.2020 14:34
Die Genossen konnten sich natürlich große Gebietsabtretungen leisten, weil sie wußten, dass die Mittelmächte nicht (mehr) gewinnen konnten.

Gut. Dass die Revolution in Rußland begonnen hatte, war etwas unorthodox.
Aber wer seinen Marx recht zu deuten wußte, dem war klar:
Auch in Deutschland standen große Veränderungen bevor.
Wer sich seine einst so stolze Armee ansah wußte:  Die Leute hatten es satt, von Kaiser und Co. verheizt zu werden. Sie wußten, dass ihre Familien hungerten.
Soldaten, die nach Westen verlegt wurden, brachten revolutionäres Gedankengut mit sich und verbreiteten es unter Kameraden.

So waren es Soldaten und Matrosen, die die Revolution von 1918 anfingen und die alten Herren zur Abdankung zwangen.

Neues schaffen aber - war ungleich schwieriger...
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 24.07.2020 17:37
Interessant ist, wie hier die linke Philosophie Geschichte schreibt.

Getreu der Devise, die Marx mit Blick auf Feuerbach formulierte:

,,Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt (!) drauf an sie zu verändern"  :reader:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 15.10.2020 15:02
Den letzten Anstoß zur Revolution gab ausgerechnet die Waffengattung, die dem Kaiser am meisten am Herzen lag.

Die Marine.

Deren Admiralität wollte in den letzten Oktobertagen 1918 tatsächlich gegen England auslaufen. Getreu der Devise: Alles ist verloren - aber die Ehre nicht.  Dieses aussichtlose Unterfangen führte zu einer Matrosenmeuterei in Wilhelmshaven, die sich rasch auf das ganze Reich ausweitete.

Überall bildeten sich  Soldaten- und Arbeiterräte. Die Herrscher dankten reihenweise ab.

Auch der Kaiser, der sich bis zuletzt gewehrt hatte.

Die "Novemberrevolution" war nicht mehr aufzuhalten. Nur - welche Verfassung sollte das  "Neue Deutschland" bekommen?

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 15.10.2020 15:18
Fast mehr als die Reaktion der alten Mächte, fürchteten Sozialdemokraten wie Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann den linken Flügel der Bewegung.

Hier warb Karl Liebknecht für den Aufbau einer "freien sozialistischen Republik Deutschland" nach dem Vorbild der Sowjetunion.

So wurden in aller Eile Fakten geschaffen. Am 9. November 1918 verkündete Philipp Scheidemann, Vorstandsmitglied der SPD, aus einem Fenster des Reichstags in Berlin das Ende der alten Ordnung und die Gründung einer Deutschen Republik.

Was Ebert etwas irritierte. Denn waren solche Verfassungsfragen nicht Aufgabe einer (künftigen) Nationalversammlung?

Andererseits war man der Konkurrenz zuvorgekommen. Nur wenig später rief Karl Liebknecht auf einem Balkon des Berliner Stadtschlosses stehend die "Freie Sozialistische Republik Deutschland" aus.

Zugleich beschwor er den alten Traum der proletarischen Weltrevolution.

Es drohte ein Bürgerkrieg. Oder ein Krieg unter - Arbeitern?  :-\
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 15.10.2020 15:30
Die Stimmung im Land spiegelt recht gut das folgende Lied wieder.

https://www.youtube.com/watch?v=jCZ-y8Fsty4

Wer sich schwertut, den Text zu verstehen - der ist weiter unten zu lesen.  :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Cristina Viv am 15.10.2020 15:32
Die Weimarer Republik!


Kaiser Wilhelm II ,weigerte sich ja zurückzutreten.Daraufhin verkündete Reichskanzler Max von Baden am 9.November 1918 Wilhelms Abdankung. Der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann rief ziemlich eigenmächtig die Republik aus und proklamierte Friedrich Ebert als Reichskanzler. Von da an herrschten teilweise bürgerkriegsähnliche Zustände,  weil die extreme Linke noch versuchte, die Macht an sich zu reißen und Räterepubliken zu bilden.
Der Höhepunkt war der Spartakusaufstand in Berlin, ein massiver Streik Mitte Januar,  in dessen Verlauf Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet wurden.
Angesichts dieser Zustände wich der am 19. Januar 1919 neu gewählte Reichstag zu einer konstituierenden Sitzung nach Weimar aus .
Im Nationaltheater Schillers und Goethes traten die Abgeordneten am 06.Februar zusammen und beauftragten den linksliberalen Verfassungsrechtler Hugo Preuß mit der Ausarbeitung einer Verfassung , die am 31. Juli in Weimar verabschiedet wurde. Diese trat am 11. August in Kraft !

Ohh , zu spät !  Danke Wolf ! Wieder mal eine klasse Erklärung !  :up: :-*
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 15.10.2020 15:34
Zitat von: Cristina Viv am 15.10.2020 15:32

Die Weimarer Republik!


Danke für diese exzellente Ergänzung.  :winke:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 15.10.2020 15:37
Vielleicht werfen wir noch einen Blick auf die kurzlebige Münchner Räterepublik.

Und hören auf eine Ballade aus jener Zeit. Böse!

https://www.youtube.com/watch?v=jbsxcceShng  :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 15.10.2020 19:28
Im Grunde ist den Sozialdemokraten vorzuwerfen, dass sie - kriegsmüde wie sie waren - keine Kraft hatten, eine echte Revolution zu wagen.

Das hätte nämlich nach Marx und Engels bedeutet, die Verfassung Deutschlands radikal umzubauen. 
Die Vertreter der alten Ordnung - Adel, Militärs und Beamte - zur Rechenschaft zu ziehen und aller Machtmittel zu berauben.

Großgrundbesitzer und Fabrikanten zu enteignen. 

Die Produktionsmittel in die Hände der wahren Produzenten - der ArbeiterInnen - zu geben.

Das geschah nicht. Im Gegenteil.

Im Bemühen, Gesetz und Ordnung wiederherzustellen, wurden fatale Kompromisse geschlossen, die die Sozialdemokratie - richtig - kompromittierten.

So wurden Freikorps aufgestellt, die die Experimente mit einer sozialistischen Revolution schnell beendeten.

Zu den Opfern zählten auch Karl Liebknecht und seine Weggefährtin Rosa Luxemburg.  :(

Auch später wiederholte sich das Bild.

Viele "Weimarer Republikaner" waren auf dem rechten Auge blind, während Aufstände von links brutal niedergeschlagen wurden.

Ich sage mal der Kapp Putsch oder der rote Ruhrkampf.

Auch der Vertrag von Versailles und die Reparationen belasteten die junge Demokratie schwer.

So bekamen radikale Parteien Zulauf. Rechts die DNVP und bald auch die NSDAP.

Links die KPD.

Mit der Weltwirtschaftskrise von 1929 verschärfte sich die Situation.

Die Folgen sind bekannt.  :'(






Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 15.10.2020 19:29
Und was tat sich derweil im Osten, nach dem Untergang des Zarenreiches? 

:-\
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Cristina Viv am 15.10.2020 20:07
Bolschewiki kamen an die Macht und es begang auch ein mehrjähriger Bürgerkrieg
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 15.10.2020 20:27
Zitat von: Cristina Viv am 15.10.2020 20:07
Bolschewiki kamen an die Macht und es begang auch ein mehrjähriger Bürgerkrieg

Der von Roten und Weißen Armeen gleichermaßen brutal geführt wurde.

Und von zynischen Kommentaren begleitet war..

OT von Trotzki, dem scharfsinnigen Denker und brillianten Organisator der Roten Armee.

"Revolutionen pflegten sich stets durch Unhöflichkeit auszuzeichnen; wohl deshalb, weil die herrschenden Klassen sich nicht rechtzeitig die Mühe gaben, das Volk an gute Manieren zu gewöhnen."  :'(
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 17.10.2020 16:59
Auch der Umgang unter den Revolutionären war wenig höflich, sondern von Misstrauen und Rivalität gekennzeichnet.

Was sich in dem Maße verschärfte, indem sich der Gesundheitzustand Lenins verschlechterte.

Nach Einschätzung Lenins war Trotzki ,,persönlich wohl der fähigste Mann im gegenwärtigen ZK".

Der aber hatte sich mit seinem ausgeprägten Selbstbewusstsein und seinem analytischen Scharfsinn Feinde gemacht.

Umso mehr, als er seine "Kollegen" vor Totalitarismus, ausufernder Bürokratie und neu entstehendem russischem Nationalismus warnte.

So wurde es einsam um ihn.

Während ein anderer Apparatschik das Netz knüpfte, das vielen Kadern, GenossInnen, SowjetbürgerInnen zum Verhängnis wurde.

Ein kaltblütig-brutaler Georgier namens Iossef Bessarionis dse Dschughaschwili alias - Josef Stalin.  :(

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 22.10.2020 21:15
Stalin brauchte einige Jahre. Schmiedete Zweckbündnisse und stellte seine Rivalen kalt.
1927 war er am Ziel.
Er war uneingeschränkter Alleinherrscher der Sowjetunion.
Seit seinem fünfzigsten Geburtstag 1929 trug er den Titel ,,Führer" (вождь, Vožd' )!

Trotzki wurde gezwungen ins Exil zu gehen. Der Haß Stalins begleitete ihn. Seine Anhänger wurden verfolgt.
Trotzkist wurde zum oft gebrauchten Schimpfwort!

Trotzkis letzte Station war Mexiko, wo er in Diego Riviera und Frida Kahlo Freunde und Verbündete fand.
Schwer bewacht lebte er in einem Haus, das zur Festung umgebaut wurde.

Es half nichts.  1940 wurde von dem sowjetischen Agenten Ramón Mercader (alias Frank Jacson) ermordet.

Die Mordwaffe war ein - Eispickel!  :'(

 

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 03.11.2020 12:15
An dieser Stelle vielleicht einige Literaturempfehlungen?

Ein Klassiker ist die "Sonnenfinsternis" von Arthur Koestler. Ein Roman, der eindrücklich die Zeit der Stalinschen Säuberungen in den 1930er Jahren beschreibt.

Einen quasi stalinistischen Staat beschreibt auch George Orwell in seinem Roman "1984".

Wobei der Antipode des "Großen Bruders" - Emmanuel Goldstein - unverkennbar die Züge Trotzkis trägt.

Auch in der "Animal Farm" wird der Konflikt thematisiert. Das sozioökonomische Experiment der Tiere scheitert, als der fiese Napoleon (Stalin) seinen Rivalen Snowball (Trotzki) ausschaltet und eine Diktatur errichtet.

Was die stalinistische Geschichtsschreibung angeht, so empfiehlt sich der 1938 erschienene "Kurze Lehrgang der Geschichte der KPdSU".

Hier erscheint Trotzki nur kurz in der Rolle eines großmäuligen Rivalen Lenins. Dieser gefährdet sogar den Erfolg der Oktoberrevolution, weil er den Termin nicht für sich behalten kann.

Bekanntermaßen der 25. Oktober bzw. 7. November.  ;) :-\   
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 03.11.2020 12:44
Um es einmal pointiert zu formulieren.

Wenn einer Verrat an der sozialistischen Idee begangen hat, dann war das Stalin selbst! 

Dieser hat nämlich - einmal an der Macht - das Programm der Weltrevolution durch das eines "Sozialismus in (s)einem Lande" ersetzt.

Das geschah, indem er die Sowjetunion in kürzester Zeit mit landwirtschaftlichen Großbetrieben und Industriekombinaten zupflasterte.

Dass dieser Umbau immense Opfer verlangte war Teil des machtpolitischen Kalküls.

Ebenso, dass Hunger als Waffe eingesetzt wurde, um Widerstand gegen die "Neue Ordnung" zu brechen.

Da sind wir beim Holodomor, der Hungersnot in der Ukraine in den Jahren 1932 und 1933!

Stalins hammerharter Kommentar: "Der Tod eines Mannes ist eine Tragödie. Der Tod von Millionen nur eine Statistik."
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 03.11.2020 13:04
Von großer Bedeutung für den Stalinismus war der Personenkult um den unfehlbaren  "Führer".

Stalin besann sich da auf seine Ausbildung als Priester. Erinnerte sich an die (Binde-) Kraft des orthodoxen Glaubens und seiner Riten.  :priest:

Sorgte dafür, dass Hausaltare und Ikonen durch sein Portrait ersetzt wurden.  :reader:

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 03.11.2020 13:10
Mit dieser Entwicklung geht der Aufbau einer politischen Geheimpolizei einher. Des berüchtigten NKWD, der Systemgegner mit inquisitorischen Methoden verfolgte und vernichtete.  :'( 
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 03.11.2020 19:56
Die Säuberungen erinnerten tatsächlich an die dunkle Zeit der Kirchengeschichte.

Wie die Inquisitoren unter dem Kirchenvolk,  verbreiteten die Leute des NKWD Angst und Schrecken unter Funktionären und Parteimitgliedern.

Die Menschen denunzierten selbst Freunde und Angehörige in der Hoffnung, das eigene Leben zu retten.

Oft vergebens.

In vielen Regionen der Sowjetunion kam das politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben zum Erliegen. Auch der Roten Armee fehlte es zusehends an kompetenten Offizieren. 

Schließlich bekamen es auch die Ermittler mit der Angst zu tun. Im Bemühen keine Schwäche  zu zeigen, hatten Sie ihre Vorgaben übererfüllt.

Nun wurde ihnen ihr Diensteifer zum Verhängnis.

Selbst Stalin ging auf, dass er seine Macht und und die Zukunft des Landes gefährdete.

Also machte er seinen Leuten den Prozess.

Auch die ersten beiden Chefs der Geheimpolizei  - Genrich Jagoda und Nikolai Iwanowitsch Jeschow - wurden für ihre "Exzesse" zur Rechenschaft gezogen.

1938 schlug dann die Stunde eines neuen Mannes, nach dem auch im Quizduell gefragt wird.

Lawrenti Beria, der sogar Stalin überlebte. Seinen "Führer" vielleicht sogar vergiftet hat...

Erst nach Stalins Tod wurde er entmachtet und verlor sein Leben.

Sic semper Tyrannos...

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 06.11.2020 18:23
Berijas Handschrift trug auch ein Verbrechen, das selbst in der sowjetischen Geschichte seinesgleichen sucht.

Das Massaker von Katyn.

In Lagern wie diesem wurden 4400 polnische Offiziere gefangen gehalten, die im Herbst 1939 in sowjetische Hände fielen. Dazu kamen zehntausende Vertreter der intellektuellen Elite des Landes...

1940 verlor sich ihre Spur.

Die polnische Exilregierung stellte Fragen, die ausweichend beantwortet wurden.

Als die Wehrmacht die Sowjetunion angriff, wurden die Massengräber entdeckt.
Was folgte war eine Sternstunde der Propagandisten beider Seiten.
Hitlerdeutschland bildete eine ,,Sonderkommission zur Aufdeckung bolschewistischer Greueltaten und völkerrechtswidriger Handlungen".
Es lud zahlreiche angesehene Ärzte aus verschiedenen europäischen Ländern ein, die das Zeitfenster für das Geschehen genau ermittelten.

Die Sowjets - mauerten.

Gaben den Deutschen die Schuld.

Brachen die Beziehungen zu den Exilpolen ab.

Beschworen eine sowjetisch-polnische Waffenbrüderschaft und förderten den Aufbau einer polnischen Hilfsarmee, für die auch Überlebende rekrutiert wurden.

Die westlichen Alliierten hielten sich bedeckt, um das Bündnis nicht zu gefährden. Ein Bericht im Pentagon wurde  "verlegt".

Auch im Nürnberger Prozess wurde die Schuldfrage Katyn verhandelt, allerdings angesichts der Faktenlage - tabuisiert.

Auch nach der Generalabrechnung mit Stalin nach seinem Tod blieb das so.

Angehörige  und Forscher, die die Erinnerung wachhielten wurden bedroht.

Noch in den Zeiten der Solidarnosc kam es zu Gerichtsurteilen und Gefängnisstrafen.

Erst unter Gorbatschow fand eine "Aufarbeitung" statt, die auf Widerstand bei Militärs und Funktionären stieß.

Und heute - schreibt Putin Geschichte (neu)...
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 27.12.2020 18:40
Eines muss man Stalin und seinen Genossen lassen:

Dank skrupelloser Machtpolitik und immenser Opfer an Soldaten und Zivilisten war die Sowjetunion nach dem Zeiten Weltkrieg zur zweiten Supermacht nach den USA aufgestiegen.

Die meisten Staaten Osteuropas wurden zu Vasallen bzw "Satelliten".

Über Europa senkte sich - um es mit Winston Churchill zu sagen - ein "Eiserner Vorhang". 

Hier die Westmächte, die im Nordatlantikpakt (der Nato) zusammenfanden. Dort im Osten das Gegenstück: Der Warschauer Pakt.

Nur wenige Staaten konnten sich dieser Blockbildung entziehen.

Etwa Jugoslawien, das unter Führung eines gewissen Josef Broz oder "Tito" eine relative Unabhängigkeit bewahrte.

Finnland, dem Moskau allerdings außenpolitische "Neutralität" verordnete.

Und schließlich Griechenland, wo die kommunistische Machtergreifung schiefging und zu einem dreijährigen, blutigen Bürgerkrieg führte.

Während auf auf dem Highgate Friedhof in London Karl Marx in seinem Grab rotierte.   :'(
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 10.03.2021 09:57
Dann kommen wir zu den 1950er und 60er Jahren, in denen die Geschichte des Sozialismus um einige wichtige Kapitel fortgeschrieben wurde.

Ich sage einmal: Der schwierige Umgang mit dem Erbe Stalins und der Frage nach zukunftsweisenden Reformen.  :-\
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 30.03.2021 15:00
Wo fangen wir an?

Und - wer möchte sich beteiligen?  ;)
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: Cristina Viv am 31.03.2021 08:22
Der Sozialismus ist eine Ideologie gegen den Kapitalismus ,
entstand aus der Arbeiterklasse um Armut , Unterdrückung, Ungerechtigkeit zu überwinden! Die Arbeiter strebten nach Gleichheit, Solidarität und Emanzipation,  eine andere Gesellschaftsordnung .
Der Sozialismus hat viele Gesichter und hat im Laufe der Zeit sich oft gewandelt !

(https://debeste.de/upload/36abfcf8e34fef6e2542fca7cd91b680.jpg)

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 04.04.2021 15:48
Ach ja.

Der Sozialismus als echte, weltverändernde  "Bewegung von unten".

Und was ist daraus geworden?

Was nach Marx und Engels das Ende aller philosophischen Welt(v)erklärung markieren sollte, wurde zur ultimativen Ideologie.

Dank selbsternannter "Berufsrevolutionäre", Kader und Bonzen, denen es alleine um ihre Macht und ihre Privilegien ging.  :'(

Ein echtes "Schweinesystem", wie es ja auch George Orwell in seiner "Farm der Tiere" beschrieben hat...  >:D

Danke schön liebe Christine für Deine Ergänzungen.  :up:
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 01.07.2021 14:50
Dabei hatten die Kommunisten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges viele Sympathisanten. In intellektuellen Kreisen ebenso wie in der Arbeiterschaft.

Stalins Palladine taten ihr Bestes, diese Sicht der Dinge zu korrigieren.

Wobei wohltönende Worte die brutale Wirklichkeit verschleierten.

Recht erhellend ist da Walter Ulbrichts Satz vom Mai 1945 (!) ,,Es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben."

Nach dieser Devise vollzog sich auch im April 1946 die Zwangsfusion von (Ost-)SPD und KPD zur SED, der Sozialistische Einheitspartei Deutschlands.
Deren Kader in Legislative, Exekutive und Judikative das Sagen hatten und damit faktisch eine Ein-Parteien-Diktatur etablierten und sicherten.

Da half auch der Deckmantel eines demokratischen Mehrparteiensystem nichts.

So gab es zwar (auch) eine Ost-CDU und eine Liberal-demokratische Partei.

In diesen "Blockparteien" agierten aber ebenfalls Leute, von denen keine systemkritischen Töne zu hören waren.

Weshalb sie den Spitznamen "Blockflöten" bekamen.  :'(

 

 
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 29.07.2021 19:58
Mitten im allumfassenden Prozess der "Sowjetisierung" der DDR geschah das Undenkbare.

Am 5. März 1953 starb Josef Stalin. Der Mann aus Stahl. Der Generalsekretär des ZK der KPdSU. Der Generalissimus und geniale Schlachtenlenker. Der weise Führer und unfehlbare Lehrer der Menschheit im Kampf für Frieden, Demokratie und Sozialismus.

Hab ich etwas vergessen?  :-\

Klar, dass seine ergebenen Gefolgsleute - die ihn dermaßen in den Himmel gelobt hatten - erst einmal in Schockstarre verfielen - um dann in seinem Sinne weiterzumachen.

Auch und gerade in der DDR, wo Wünsche und Bedürfnisse des Volkes krass ignoriert wurden.
Statt dessen wurden erst einmal die Arbeitnormen erhöht.

Das Ergebnis war der Volksaufstand vom 17. Juni. 

Der nur mit massiver Militärunterstützung des "Großen Bruders" niedergeschlagen wurde.  :o

Dennoch hatte er Signalwirkung. Er zog in der Folgezeit weitere Versuche nach sich, diese (Per-)version von Sozialismus zu beenden.

Der Bewegung zumindest ein "menschlicheres Gesicht" zu geben...  :-\
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 29.07.2021 20:00
Aber wie sagte schon Marx treffend: 

Jede Befreiungsbewegung verändert ihren Charakter, wenn sie von der Utopie zur Realität übergeht.  :-\
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 29.07.2021 20:01
Oder - ein Zitat von Lenin:

Die Freiheit ist etwas Wertvolles. So wertvoll, daß man sie nur portionsweise vergeben darf.  :'(
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 29.07.2021 20:14
Sehr erhellend ist auch ein Wort von Kurt Barthel, dem 1. Sekretär des Schriftstellerverbandes der DDR an die Adresse der Bauarbeiter:

,,Da werdet ihr sehr viel und sehr gut mauern und künftig sehr klug handeln müssen, ehe euch diese Schmach vergessen wird.
Zerstörte Häuser reparieren, das ist leicht.
Zerstörtes Vertrauen wieder aufrichten ist sehr, sehr schwer"

Sogar Bert Brecht sah sich da zu einer Replik genötigt und empfahl der Regierung in seinem Gedicht "Die Lösung", sich angesichts der eklatanten Vertrauenskrise doch besser - ein anderes Volk zu wählen.

B.B. entschied sich aber doch, dieses Gedicht nicht zu veröffentlichen.

Es erschien erst nach seinem Tod, der ihn am 14. August 1956 ereilte.

Die Zeitung, die es erstmals druckte war "Die Welt" (1959)!  :-\

Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 29.07.2021 20:18
So wird (als treffliches Beispiel Hegelscher Dialektik) aus Realem Sozialismus - Realsatire... :(
Titel: Antw: Philosophie für Einsteiger
Beitrag von: De Wolf am 15.08.2021 21:23
Wenn ich es recht bedenke, hat es seit Konfuzius Zeiten keine Philosophie mehr gegeben, die in ähnlicher Weise Geschichte gemacht hat.

Wenn auch anders, als die Genossen Marx und Engels das im Sinne hatten.

Bevor ich sarkastisch werde, verlinke ich noch etwas aus der Welt der Satire..

https://www.google.com/search?q=marx+sorry+jungs&sxsrf=ALeKk02X3k-ldzMlpEXPEQLJUQVLmXXA3Q:1629055109349&tbm=isch&source=iu&ictx=1&fir=mFtgKFW2VK74aM%252C4AgELtcq9W7HYM%252C_&vet=1&usg=AI4_-kRWtNam9M34jInPMscWKGdthG2LmA&sa=X&ved=2ahUKEwiIt_KY37PyAhVE_7sIHdWXDDwQ9QF6BAgIEAE#imgrc=ViuipI2I6SqRLM