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Fakten zur Musikgeschichte

Begonnen von De Wolf, 04.08.2015 12:26

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De Wolf

Aber vielleicht fühlt sich ja jemand berufen, einen Beitrag zu leisten?

Nur zu! :up:
It's gotta be purrfect!

De Wolf

It's gotta be purrfect!

De Wolf

#452
Erinnern wir uns: Der Herzog von Mantua ist ein Renaissancefürst par excellence.
Ein Machtmensch und ein Genießer und in seinem Element, wenn er beides miteinander verbinden kann.
Etwa wenn er adlige Damen verführt und ihre Männer vorführt und sie ihre Ohnmacht spüren läßt.

Das tut er nicht etwa heimlich. Er macht den Hof zur Bühne, wo alle ihre Rolle zu spielen haben.
Als Opfer, Zuschauer oder gar als - Komplizen.  :( 


It's gotta be purrfect!

De Wolf

Wobei dem herzoglichen Hofnarren Rigoletto eine ganz besondere Rolle zukommt.

Bucklig wie er ist, wird er regelmäßig zur Zielscheibe spottlustiger Höflinge und ist ihnen in herzlicher Abneigung verbunden.

Dient seinem Herrn nicht nur als Spaßmacher, sondern als Ratgeber. Empfiehlt ihm beispielsweise, den rachsüchtigen Ehemann seiner neuesten Flamme in den Kerker zu werfen oder zumindest zu verbannen.

(Ein dramaturgischer  Kunstgriff der - nebenbei bemerkt - den Herzog ein Stück weit entlastet und verhindert, dass die kakanische Zensur das Stück ins Visier nimmt.)

   

 
It's gotta be purrfect!

De Wolf

#454
Dabei dient Rigoletto seinem Herzog nicht nur, weil es seine Position im höfischen Machtgefüge stärkt. 

Er hütet ein Geheimnis. Er hat eine Tochter, Gilda, die langsam zur Frau wird.
Zu einer jungen, hübschen Frau, die - wie so viele andere junge Frauen zuvor - Gefahr läuft, ein Opfer des Herzogs zu werden.

Vor diesem Schicksal versucht Rigoletto sie (und sich) zu schützen. Eine schwierige, eine nahezu unmögliche Aufgabe.
Weil in so einer vergifteten Atmosphäre Geheimnisse dazu da sind - aufgedeckt zu werden.

Der besorgte Vater kann also machen, was er will -  das Drama nimmt unausweichlich seinen Lauf.
Ja - letzlich sind es seine Aktionen, die zur Katastrophe führen.

Das ist der Stoff aus dem Tragödien gemacht sind: Dass ein Mensch  gute Absichten hat - aber nur böses bewirkt...  :'(

 
It's gotta be purrfect!

De Wolf

Aber werfen wir mal einen Blick auf Gilda, das tragische Opfer. 

Sehen wir genau hin, dann ist ihr Charakter  - wie der ihres  Vaters - recht komplex.

Auch wenn sie lange als "jugendliche Naive" galt und entsprechend besetzt wurde.   :-\     
It's gotta be purrfect!

De Wolf

#456
Wie facettenreich (und anspruchsvoll) die Rolle ist, das zeigt sich daran, welche Sängerinnen sie übernommen haben.

Die wohl Bekannteste ist keine geringere als die Callas! 
It's gotta be purrfect!

De Wolf

#457
Ihr habt richtig gelesen.
Maria Callas.
Eine begnadete Sopranistin und definitiv der Inbegriff einer Diva, die es sogar zu QD-Ehren gebracht hat.

Tochter griechischer Eltern, die ihr Glück in der Neuen Welt suchten. 

Geboren 1923 in New York und nach einem bewegten Leben (das reichlich Stoff für eine Oper böte), leider zu früh verstorben.

1977 - gerade einmal 53 Jahre alt - in Paris.  :(
It's gotta be purrfect!

De Wolf

Wenn die Frage nach ihrem Geburtsort kommt - ihr wisst Bescheid...
It's gotta be purrfect!

De Wolf

#459
Aber kehren wir zurück zu Rigolettos Tochter.

Was macht ihre Rolle so anspruchsvoll?

Ja, sie ist ein junges Mädchen, das vom Vater geliebt und behütet wird.

Aber dieses junge Mädchen wird langsam zur Frau. Sie will nicht ewig die behütete Tochter bleiben. Sie will etwas von der Welt sehen,  das wahre Leben kennenlernen und  - sie will sich verlieben!

Sie will erfahren, wie es ist DEN Mann fürs Leben kennenzulernen. Dem sie ihre Liebe schenken kann und der sie von Herzen liebt.

Aber wie das Leben so spielt, gerät sie an den Falschen. Den Herzog.

Aber wie viele Frauen mit Lebenserfahrung erleben ähnliches?. Sie verlieben sich in einen Typen, der nicht weiß, das Liebe ist (und es auch gar nicht wissen will).
Der mit ihren Gefühlen spielt und sie nur ausnutzt.
Und oft halten sie zu ihm trotz aller Warnsignale, in der Hoffnung auf die große Wende.
Dass der Typ endlich erkennt, was er an ihr hat. Dass sie allein ihn retten kann.

So nimmt manches Drama seinen Lauf - bis zum bitteren Ende.  :(
It's gotta be purrfect!

De Wolf

#460
Dank dieses psychologischen Elements hat sich diese Oper bis heute auf den Spielplänen gehalten.

Anders als - sagen wir - ein bloßes höfisches Drama, das einer immer neuen  Aktualisierung und Neuinterpretation bedarf.

So lässt sich ausgiebig diskutieren, ob der Herzog ein egozentrischer Lebemann ist, oder ein amoralischer Machtmensch, der gewohnt ist seinen Willen zu bekommen.
Ist er ein urtypischer Feudalherrscher - oder ist sein Herzogtum schon ein Prototyp einer modernen Autokratie?

Da hat ein Regisseur viele Möglichkeiten und da wurde im Laufe der Zeit auch vieles probiert.

Aber worauf es ankommt, ist die effektvoll durchkomponierte Musik, die die persönlichen Dramen unterstreicht und die Handlung unerbittlich vorantreibt.

Anders gesagt: Es ist das Zusammenspiel von Dirigent und Orchester, die Verdi (hoffentlich) gerecht werden...
It's gotta be purrfect!

De Wolf

Abschließend noch ein Link zu einer wahrhaft spannungsvollen Inszenierung aus unserer Zeit.

https://onlinemerker.com/muenchen-gaertnerplatztheater-rigoletto-neuinszenierung-premiere/
It's gotta be purrfect!

De Wolf

#462
In einem "Rolling Stones" Magazin stieß ich vor vielen Jahren einen Artikel über "One Hit Wonder".
Und las den bemerkenswerten Satz: "Eine Band hat ein Leben lang Zeit, ihren Hit zu landen.
Und dann ein Jahr - daran anzuknüpfen."
Natürlich lässt ich über diesen Zeitraum streiten.
Aber die Musikgeschichte kennt viele Beispiele von Künstlern, denen der große Wurf gelang und dann - nun ja...

Das gilt natürlich auch in der Welt der Klassik.
Auch da gibt "One Hit Wonder", die bis heute jedes Kind kennt - wobei sich manche(r) fragt: Wer hat das eigentlich geschrieben?

Denken wir an Emmanuel Chabriers "Espana", Hamilcare Ponchiellis "Tanz der Stunden", Luigi Denzis "Funiculi Funicula" oder Julius Fuciks "Einzug der Gladiatoren".

Vor diesem Hintergrund ist der anhaltende Erfolg Verdis zu sehen, der jahrzehntelang erfolgreich blieb.
Auch wenn dieser Erfolg immer wieder hart erkämpft war und auch bei ihm manches Werk Zeit brauchte, bis es sich durchsetzte.

Ein besonderes Beispiel war (und ist) "La Traviata". ;) 





It's gotta be purrfect!

De Wolf

La Traviata gehört ja bis heute zum Standardrepertoire der großen Opernhäuser und hat es auch zu QD-Ehren gebracht.;) 

Fangen wir an mit der literarischen Vorlage und dem Namen der Hauptperson, die "vom rechten Weg abgekommen war"(das nämlich ist die Bedeutung des Titels).

Ihr seid gefragt.  :up: 
It's gotta be purrfect!

Tonika 1911

Hallöchen allerseits,

bin gerade so in Schreibstimmung und gebe auch mal meinen Senf dazu.  ;)

Klaro, musste etwas recherchieren...

Ob ich mich kurz fassen kann, ist so ne Sache. Gelingt mir meistens nicht  :))


Die Oper basiert auf dem Roman DIE KAMELIENDAME von Alexandre Dumas, dem Jüngeren.
Lustig ist dabei unter anderem:

Die Hauptfigur ist angelehnt an eine echte Pariser Kurtisane( "Die vom Weg Abgekommene) namens Marie Duplessis, die mit dem Autor Dumas eine Affäre hatte. Im Roman heißt sie Marguerite Gautier.
Verdi wiederum änderte den Namen für die Oper in Violetta Valery - vielleicht, weil "Violetta" musikalischer klingt und das Bild einer verwelkenden Blume heraufbeschwört.

Ironischerweise war Marie Duplessis nicht die einzige "vom Weg Abgekommene" in ihrer Familie: Sie hatte eine schwere Kindheit und musste früh lernen, sich durchzuschlagen.

In der Romanvorlage trägt Marguerite Gautier immer Kamelien - weiße, wenn sie verfügbar sind, rote, wenn nicht.

Und zum Schluss:

Als La Traviata 1853 uraufgeführt wurde, spielte sie in der damaligen Gegenwart.
War damals skandalös!
Eine Kurtisane als tragische Heldin, die nicht in der Antike oder im Mittelalter angesiedelt war, sondern in der aktuellen Gesellschaft?

Erst als die Inszenierung in eine frühe Epoche verlegt wurde, war die Oper ein Erfolg.  :winke:




            Carpe musicam 🐦🎶🦜

De Wolf

#465
Zitat von: Tonika 1911 am 03.04.2025 00:46Hallöchen allerseits,

bin gerade so in Schreibstimmung und gebe auch mal meinen Senf dazu.  ;)

Klaro, musste etwas recherchieren...

Ob ich mich kurz fassen kann, ist so ne Sache. Gelingt mir meistens nicht  :))


Die Oper basiert auf dem Roman DIE KAMELIENDAME von Alexandre Dumas, dem Jüngeren.
Lustig ist dabei unter anderem:

Die Hauptfigur ist angelehnt an eine echte Pariser Kurtisane( "Die vom Weg Abgekommene) namens Marie Duplessis, die mit dem Autor Dumas eine Affäre hatte. Im Roman heißt sie Marguerite Gautier.
Verdi wiederum änderte den Namen für die Oper in Violetta Valery - vielleicht, weil "Violetta" musikalischer klingt und das Bild einer verwelkenden Blume heraufbeschwört.

Ironischerweise war Marie Duplessis nicht die einzige "vom Weg Abgekommene" in ihrer Familie: Sie hatte eine schwere Kindheit und musste früh lernen, sich durchzuschlagen.

In der Romanvorlage trägt Marguerite Gautier immer Kamelien - weiße, wenn sie verfügbar sind, rote, wenn nicht.

Und zum Schluss:

Als La Traviata 1853 uraufgeführt wurde, spielte sie in der damaligen Gegenwart.
War damals skandalös!
Eine Kurtisane als tragische Heldin, die nicht in der Antike oder im Mittelalter angesiedelt war, sondern in der aktuellen Gesellschaft?

Erst als die Inszenierung in eine frühe Epoche verlegt wurde, war die Oper ein Erfolg.  :winke:




Dankeschön für Deinen fundierten Beitrag. Fun to read wie es im Englischen heißt. Anzumerken wäre noch, dass sich Dumas Schauspiel laaange Zeit großer Beliebtheit erfreute.
Nicht zuletzt weil die berühmte Schauspielerin Sarah Bernhard die Kameliendame zu DER Rolle ihres Lebens machte mit der sie auf große Tourneen ging und zu einem Superstar der Belle Epoque wurde.

Aber das nur nebenbei...  ;)

https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Kameliendame#/media/Datei:Alfons_Mucha_-_1896_-_La_Dame_aux_Cam%C3%A9lias_-_Sarah_Bernhardt.jpg





It's gotta be purrfect!

De Wolf

#466
An dieser Stelle vielleicht ein Gedanke zu kreativen Prozessen. Wie einer meiner Lehrer - der es wirklich wusste - sagte werden Werke mehr als einmal geboren. 

Blicken wir einfach nochmal Verdis Partitur zu "La Traviata". Da steckte viel Zeit und Energie drin. Aber irgendwann war doch die letzte Note geschrieben und das Werk vollendet.  Oder?

Keineswegs. 

Die Arbeit ging weiter, als die Proben begannen. Mit vielen Beteiligten, die die Aufführung erst möglich machten.
Vom Direktor des Theaters bis zum letzten Statisten.
Vom Dirigenten bis zum kleinen Kopisten.
Von der Primadonna zur (vermeintlich unbedeutenden) Tänzerin in der letzten Reihe.

Sie alle haben ihren Part. Da gibt es viel zu tun, viel zu entscheiden und das beeinflusst das Werk.
Ein Fehler kann dramatische Folgen haben.
Eine Fehlbesetzung. Eine dramaturgische Schwäche. 
Aber auch nur ein einziges falsches Wort.

So bekam "La Traviata" eine Zeit lang einen alternativen, unverfänglicheren Titel und wurde schlicht zu "Violetta".

Wer einen Eindruck von dieser kritischen Phase der Vorbereitung gewinnen möchte, sehe sich die Probenarbeit an der fiktiven Oper "Hannibal" im "Phantom der Oper" in der Pariser Oper an.

Da ist manches zugespitzt, aber vieles sehr nahe an der Realität.  Und die bringt jede Menge Schweiß und Stress! :up:
It's gotta be purrfect!

De Wolf

#467
Schließlich und endlich kam dann die Stunde der Wahrheit. Der lange erwartete  Premierenabend (in unserem Fall der 6. März 1853).
Was würde er bringen? Die Geburtsstunde eines weiteren Meisterwerks? Einen Triumph beim Publikum und der Kritik? Wer  konnte das sagen?
Sicher war nur: Bald würden es alle wissen. Also Augen auf und durch!
 
Um Probleme mit der allgegenwärtigen Zensur zu vermeiden, wurde die Geschichte übrigens sehr kurzfristig - wir erinnern uns an Rigoletto - in lange vergangene, feudale Zeiten zurückverlegt.

Das half aber nichts. Die Aufführung wurde zum Fiasko. Was allerdings nicht am Thema und auch nicht an Verdis Musik lag, sondern an der Besetzung!
Zielscheibe lautstarker Buhrufe war vor allem die Sopranistin Fanny Salvini-Donatelli in der Rolle der Violetta.

Die war zwar (anders als ihre männlichen Kollegen) gut bei Stimme, galt aber mit 38 Jahren als zu alt und zudem als echtes Schwergewicht. (Zu schwer für die Rolle einer Frau, die letztlich an Schwindsucht sterben sollte).

So gab es wenig schmeichelhafte Kritiken unter anderem Vergleiche mit einer Zervelatwurst.

Am nächsten Tag schrieb Verdi einem Freund: ,,La Traviata gestern Abend war ein Reinfall. War es meine Schuld oder die der Sänger? Die Zeit wird es zeigen."

So war es dann auch. Schon die zweite Aufführung ein Jahr später (mit überarbeiteter Partitur) wurde zu einem riesigen Erfolg und der hält bekanntermaßen bis heute an!

Ja, La Traviata gilt als Verdis erfolgreichste Oper, von der es mittlerweile 253 Aufnahmen gibt. Nur von "Aida" gibt es mehr, nämlich 261!

Aber das ist eine andere Geschichte!  ;)
It's gotta be purrfect!