Das Johannesevangelium entstand gegen Ende des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, als die Gnosis zunehmend an Einfluss gewann.
So ist es unvermeidlich, dass der Evangelist sich mit dieser Weltanschauung auseinandersetzt.
Das beginnt mit dem berühmtem Prolog, der mit dem dunklen Mythos des Demiurgen aufräumt und keinen Zweifel daran läßt:
Jesus ist das klare, wahre lebendige Wort des (einen) Schöpfergottes!
Interessant ist, dass im Folgenden eine Theologie entfaltet wird, bei der Erkenntnis eine große Rolle spielt.
Jesus ist die Weisheit in Person, DER Lehrer schlechthin, der allerdings mit seinen geheimnisvoll verrätselten Worten viele Menschen vor den Kopf stößt.
Nur wenige verstehen ihn, schenken ihm Vertrauen und bekommen so Anteil am ewigen, am wahren Leben.
Dabei nimmt das Buch gewissermaßen Erkenntnisse der Existentialphilosophie vorweg, wie sie Sören Kierkegaard formuliert hat.
Aber das nur nebenbei.
Ein wichtiges Anliegen des Johannes ist, Menschen zu erreichen, denen der Gedanke an Jesu baldige Wiederkunft zumehmend fremd wird.
Sie wollen Antworten auf ihre Fragen nach dem Sinn ihres Lebens. Und zwar hier und jetzt.
Das ist auch das Anliegen der religiösen Konkurrenz.
Und das erklärt manche theologisch-philosophische Parallelen
Wen es allerdings nach christlicher Gnosis verlangt, der ist bei Johannes an der falschen Adresse.
Dem empfehle ich das apokryphe Evangelium der Marie Magdalena, das um 160 n. Chr. entstand.
Von zentraler Bedetung ist hier die Apostelin der Apostel, die von Jesus besondere Offenbarungen bekam, die Kirchenmänner wie Andreas und Petrus mit Misstrauen, Neid und Hass erfüllten.
Leute - da kriege ich Bilder.
Solche von Dan Brown zum Beispiel. Der sieht in Leonardos berühmten Abendmahl nicht etwa den Lieblingsjünger Johannes zur rechten Jesu.
Sondern dessen wahre Favoritin: Maria (der Petrus in einer symbolischen Geste ein Messer an den Hals legt).
Das ist alles sehr, sehr weit von den biblischen Evangelien entfernt.
Interessant sind solche Werke allerdings, weil sie heftige Auseinandersetzungen des zweiten und dritten Jahrhunderts widerspiegeln.
Als die Gnosis die überkommenen Lehren der Amtskirche massiv infrage stellte.
Eine echte Vertrauenskrise, die nur mit Mühe zu überwinden war.
Aber wie?